Maria Strauss in "Grooming" des spanischen Autors Paco Bezerra

Wien – Die sexuelle Lust ist ein weites Spielfeld. Sie kennt Freuden wie jene, sich unauffällig an Fremden zu reiben oder vor einem Arzt auszuziehen. Sie weiß zuweilen auch besonders exquisite Reize wie Pflanzen oder Zähne zu schätzen. Im Theater Drachengasse werden aktuell noch einige Leidenschaften mehr vorgestellt. Auch das bedrohliche Anmachen Minderjähriger, in seiner Ausprägung im Zeitalter neuer Medien Grooming genannt.

Etliche Wendungen

Letzteres führt auf einem Spielplatz eines Abends Leonardo (Christoph Kail) und Carolina (Maria Strauss) zusammen. Sie baumeln auf zwei Schaukeln. Beide sind nicht, was sie vorgeben zu sein. Er ist kein Künstlertyp und keine 16, sondern heißt Lutz. Und sie wäre darüber schockierter, hätte sie das nicht bereits gewusst. Denn die Undercover-Polizistin forscht Pädophile aus. "Sexuelle Belästigung von Kindern" – warum nennt man es nicht so, fragt sie sich und uns, warum das harmlos klingende Wort Grooming?

Doch der Wendung nicht genug. Das erklärt den bereitwillig vorangegangenen Blowjob der Beamtin. Auch sie hat ein sexuelles Begehr: lebendig begraben zu sein. Dabei soll er ihr helfen. Alice im Wunderland hat nicht nur sie dazu inspiriert, sondern auch Bühnenbildnerin Ágnes Hamvas: Die riesige Zeichnung eines Mädchens und eines Häschens ziert die Rückwand. Sie ist auch Projektionsfläche für das per Chat erpresste Treffen.

Das erstmals in Österreich zu sehende Stück des spanischen Dramatikers Paco Bezerra inszeniert Esther Muschol ohne Zerstreuungen. Kail und Strauss spielen mit direkten Ansagen. Ohne zu verharmlosen, versucht Grooming auch das Leid des Täters mit darzustellen. Rupert Derschmidt schafft dazu soundtechnisch ein latentes Bedrohungsgefühl. (Michael Wurmitzer, 1.11.2017)