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Die goldenen Zeiten der ersten Amtszeit von Wladimir Putin sind vorbei. An die Sanktionen hat sich die Wirtschaft mittlerweile gewöhnt.

Foto: AP/Kirill Kudryavtsev

Die USA haben die Sanktionen gegen Russland nochmals verschärft: In der neuesten Direktive des US-Finanzministeriums wurden die bisher schon geltenden Restriktionen für Investitionen und Kooperationen mit russischen Ölgesellschaften bei der Ausbeutung von Küstenlagerstätten noch einmal erweitert. Künftig gelten diese Regelungen auch für Projekte im Ausland, wenn russische auf der Sanktionsliste stehende Firmen mehr als 33 Prozent daran besitzen.

Betroffen sein davon könnte ein Deal der OMV mit Gazprom: Der russische Gasriese versucht gerade 38,5 Prozent von OMV Norge zu kaufen. Bei diesen norwegischen Förderprojekten wird auch Öl gefördert. Setzt das US-Finanzministerium das Joint Venture auf die schwarze Liste, dürfen US-Unternehmen und -Bürger dort nicht mehr mit- und zuarbeiten.

Pläne von Lukoil geraten in Gefahr

Auch Pläne von Lukoil in Norwegen oder im Golf von Mexiko geraten in Gefahr. Bei den Projekten russischer Ölmultis im Iran und in Venezuela sind die praktischen Folgen hingegen wohl eher gering. Russlands Vizeaußenminister Sergej Rjabkow kritisierte die Verschärfung als weiteren Schritt hinein in die "Sackgasse" der bilateralen Beziehungen. Unerwartet sei die "destruktive Nachfolgepolitik" des schon von Barrack Obama eingeleiteten Kurses aber nicht, fügte er hinzu.

Die Auswirkungen der bisherigen Sanktionen sieht Russlands Zentralbankchefin Elvira Nabiullina gelassen: Die Auswirkungen seien Ende 2014 am größten gewesen, als auch gleichzeitig der Ölpreis fiel. "Der Effekt des Ölpreises war größer als der der Sanktionen. Jetzt hat sich die Wirtschaft an beide Faktoren gewöhnt", sagte sie dem STANDARD.

Finanzierungsquellen wurden kompensiert

Auch wenn die Sanktionen "nicht positiv" seien, habe der russische Finanzsektor den Ausfall der ausländischen Finanzierungsquellen inzwischen kompensieren können. "Die Wirtschaft wächst wieder", das Finanzsystem sei stabil, und auch das Interesse ausländischer Anleger an russischen Anleihen steige wieder, sagte sie.

Die Zahlen stützen die These Nabiullinas, auch wenn die offizielle Statistik nach einem neuen Berechnungsverfahren mit einer gewissen Vorsicht genossen werden muss. Laut dem russischen Wirtschaftsministerium jedenfalls ist das Bruttoinlandsprodukt allein in den ersten neun Monaten heuer um 1,8 Prozent gewachsen. Zum Wachstum habe nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch die nichtrohstoffgebundene Industrie beigetragen, betonte das Ministerium, während die Tendenzen bei Förderung und Erstverarbeitung von Öl und Gas negativ seien.

Kein Ende in Sicht

Aufgrund der Tatsache, dass der Ölpreis in den vergangenen Monaten stabil über 50 Dollar pro Barrel liegt, ist zumindest die letzte Aussage etwas verwunderlich. Deutlich ist aber: Der Schock der Sanktionen ist überwunden. An eine schnelle Aufhebung glaubt in Moskau ohnehin niemand mehr: "Unsere Prognosen für die weitere Wirtschaftsentwicklung bauen wir auf der Annahme auf, dass sie bestehen bleiben", sagt Nabiullina.

Das Wachstum bleibt allerdings für russische Verhältnisse bescheiden. Nach den Boomjahren der ersten Amtszeit Wladimir Putins werden sich die Russen in seiner vermutlich nächsten Amtszeit auf eher moderate Zahlen um die zwei Prozent einstellen müssen. Das ist keine Rezession. Um den Anschluss an die westlichen Industrieländer zu schaffen, bräuchte Russland aber höheres Wachstum. (André Ballin aus Moskau, 2.11.2017)