Linz – Die Sterne vom Himmel holen? Das Versprechen des Unmöglichen, der romantische Liebesschwur, ist inzwischen zur leeren Schlagerfloskel geworden. "Die Sterne begehrt man nicht, man freut sich ihrer Pracht", wusste bereits Goethe. Und tatsächlich sind die Sterne nur so lange himmlisch, solange sie keiner vom Firmament pflückt. Jeder Versuch, den fernen Sehnsuchtsort, der seit jeher nicht nur das Liebesbegehren, sondern auch das Nachdenken über den Sinn der Existenz angeregt hat, zu materialisieren, verblasst gegen eine sternenklare Nacht.

Angela Bulloch: "Night Sky: Aquarius Pegasus. 12" (2012)
Foto: Courtesy Angela Bulloch, Esther Schipper, Berlin und Simon Lee Gallery London/Hong Kong

Die bildliche Metapher ist eher kraftlos gegen jene Momente, in denen sich das Himmelszelt mit der Milchstraße und unzähligen Lichtpunkten in die Unendlichkeit des Kosmos öffnet und die so schwer vorstell-, weil unfassbare Weite oft auch ein wenig unheimlich erscheinen lässt. Das wird einem nirgends so bewusst wie in einem gleißend hellen Innenraum wie im Lentos, an dessen Wänden Kosmische Kunst von 1900 bis heute versammelt ist.

Die Unbewältigbarkeit des Sternenthemas hat die Kunst wohl dort am besten gelöst, wo sie in Imitation oder Abbild (Angela Bulloch, Thomas Ruff) der Naturwissenschaft am nächsten kommt. Oder dort, wo gleich Ironie und Humor hinzukommen, so wie bei der Meteoritenfalle aus Frittierkörben (Barbara Anna Husar), den Spitzendeckchen-Sternenauren (Nives Widauer) oder der Genesis-Geschichte (Teresa Präauer).

Barbara Anna Husar: "Die Meteoritenfalle" (2011)
Foto: Courtesy Galerie Maximilian Hutz

Manch heruntergeklaubtes Sternenfunkeln glitzert als Diamant auf den Fingern von Auserwählten oder fällt als blanker Taler auf fromme Mädchen herab: Auf diesen kapitalistischen Boden der Himmelskörperträume schmettert uns die Ausstellung Sterne im Lentos schon eingangs: Das Ephemere fängt sich in einem kupferfarbenen Luster (Julia Bornefeld) aus Ein-Cent-Münzen.

Anstoß zur Schau (initiiert noch von Stella Rollig, bevor sie ans Belvedere wechselte) war gerade die Unmöglichkeit dieser sinnlichen und auch philosophischen Erfahrung in urbanen Ballungsräumen: Die dunkle Nacht, die wir oben auf dem Berg oder in entlegenen Winkeln noch erleben, sie existiert in der Stadt nicht mehr.

Die Lichtverschmutzung entzieht, so die Kuratorinnen Sabine Fellner und Elisabeth Nowak-Thaller, einem Drittel der Weltbevölkerung den Anblick von Milchstraße, Sternschnuppen und leuchtenden Kometen (eigentlich wenig, wenn bereits mehr als die Hälfte der Menschen in Städten lebt). Und die stete Lichtglocke über uns bringt nicht nur unsere Chronobiologie durcheinander, sondern auch jene der Tiere; Licht dringt in deren Lebensräume und Rückzugsgebiete, die Folgen für die Ökosysteme sind enorm.

Glorreiche Elektrifizierung

Porträts von Großstadtzombies, die ihre Insomnia umhertreibt, oder Bilder abgestürzter Zugvögel sind allerdings nicht zu erwarten. Es geht weniger um die gesellschaftlichen Folgen unserer Elektrolichtabhängigkeit, obwohl das auch einmal ein gutes Thema wäre: Der "Lichtsmog" ist hier eben nur der Aufhänger mit entsprechender Dringlichkeit. Ebenso umfangreiche Kapitel widmen sich Schlagwörtern wie "Erhabenheit", "Romantik", "Bedrohung", "Leitstern" oder "Kosmologie".

Der nächtliche Blick auf Downtown Manhattan, den Robert A. Barrows 1940 fotografisch festhielt, oder Theodor von Hörmanns Gemälde von Paris von 1889 stammen aus einer Zeit, als die Elektrifizierung unserer Städte noch als glorreicher Fortschritt gefeiert wurde. Die weiten, intensiven Sternenhimmel, die Thierry Cohen auf künstlich verdunkelte Stadtveduten verpflanzt hat, sind hingegen in ihrer Künstlichkeit kitschig.

Nicht nur bei Mystikern wie Klemens Brosch ist der Nackedei Beigabe zum Blick in den Kosmos: Auch in Gerhard Rühms "Auf zu den Sternen" (2016) kommt zur Sternen- noch die Busenschau.
Foto: Reinhard Haider

Dennoch gibt es Schönes: die Bogenlampen etwa, die wie illuminierte Planeten bei Klemens Brosch über den Flaneuren baumeln. Das staubige Licht nach dem Silvesterfeuerwerk, das Schattenmaler Alex Katz eingefangen hat, oder die Nachtfotos von Linz (Anton Kehrer) und Wien (Fritz Simak).

Zwingend ist die Auswahl auch sonst nicht – eher illustrativ. Der "Erhabenheit" schadet oft die Inszenierung: Ein Gerhard Richter versauert unscheinbar im Eck, für die Sterneninstallation (Brigitta Weimer) ist es zu hell.

Es bleibt der Rat Marc Aurels: "Blicke oft zu den Sternen empor – als wandelst du mit ihnen. Solche Gedanken reinigen die Seele von dem Schmutz des Erdenlebens." (Anne Katrin Feßler, 2.11.2017)