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New Yorker legen Blumen für die Opfer ab.

Foto: reuters/shannon stapleton

Wann immer im vergangenen Jahr in einer westeuropäischen Stadt ein Wagen aus terroristischen Motiven in eine Menschenmenge gesteuert wurde, um Tod und Schrecken zu verbreiten, kam postwendend eine Twitter-Botschaft von Donald Trump: Schuld seien schwachbrüstige europäische Politiker, die die Gefahr des islamistischen Terrors nicht ernst genug nehmen.

Auch auf die blutige Amokfahrt in Manhattan zu Halloween folgte eine Twitter-Kaskade aus dem Weißen Haus. Diesmal konnte Trump schwer die Regierung des Landes verantwortlich machen – also schaltete er auf seinen anderen Twitter-Modus um und kündigte neue Maßnahmen an, um Terroristen des "Islamischen Staates" aus dem Land herauszuhalten. Und am nächsten Morgen hatte er auch wieder einen Sündenbock identifiziert – den demokratischen Senatsführer Chuck Schumer, der für die sogenannte Green-Card-Lotterie verantwortlich sei, über die der usbekische Verdächtige 2010 in die USA eingereist sein soll. Das Programm wurde auf Initiative von Präsident Ronald Reagan, dem Säulenheiligen der Republikaner, ins Leben gerufen.

Sichtbare Hilflosigkeit

Trumps digitaler Rundumschlag macht die Hilflosigkeit jeder Regierung gegenüber dieser Art des Terrors sichtbar. Wenn "einsame Wölfe" sich in Hinterhofmoscheen oder übers Internet radikalisieren, sich dann hinters Steuer eines Lasters klemmen und auf Menschen auf der Straße zurasen, dann gibt es keine Möglichkeit, dies im Vorhinein zu verhindern.

Trumps umstrittener Einreisebann gegen sechs mehrheitlich muslimische Länder hätte in diesem Fall nichts genutzt: Usbekistan steht nicht auf der Liste, und der mutmaßliche Täter war bereits seit Jahren im Land. Es mag ja grundsätzlich sinnvoll sein, die skurrile Lotterie für US-Einwanderungsvisa einzustellen und Immigranten in Zukunft nach Qualifikation auszusuchen. Vor Terror schützt das nicht. Auch ein gebildeter Elektroingenieur kann sich zu einem Islamisten wandeln, ebenso ein im Land geborener Staatsbürger. Sämtliche Muslime in den USA zu überwachen ist unmöglich und verfassungswidrig – und würde nur den Extremismus weiter anheizen.

Man kann wenig tun

Und selbst die mächtigen Poller, die nun auch in Wien zum Schutz vor Terrorattacken an sensiblen Stellen angebracht werden, können zwar einzelne Orte abschirmen, aber lenken entschlossene Täter bloß zu anderen Zielen um. Und jeder Gehsteig, Park oder Radweg lässt sich nicht ummauern.

Die einzige richtige Reaktion auf Terror dieser Art ist die, die Trump so wütend macht: Man kann gegen diese Gewalt wenig tun – außer sich nicht von ihr beeindrucken zu lassen. Es gibt Menschen, in unserer Mitte, die sich zum Töten verleiten lassen, und man kann sie nicht stoppen. Da hilft auch der militärische Sieg über den IS im Irak und in Syrien nicht. Wir – Europäer genauso wie Amerikaner – werden damit leben müssen.

Einen ähnlichen Fehlschluss wie Trump machen übrigens seine politischen Gegner, wenn sie nach einem bewaffneten Amoklauf wie zuletzt in Las Vegas suggerieren, eine Verschärfung der Waffengesetze würde solche Verbrechen verhindern. Bei mehr als 300 Millionen von Schusswaffen im Umlauf würden auch strikte Verkaufsverbote, die politisch ohnehin illusionär sind, erst nach Jahren wirken.

Es gibt Schrecken, die sich nicht verhindern lassen. Das wird auch der amerikanische Präsident lernen müssen. (Eric Frey, 1.11.2017)