Keine Chance für smarte Ohrhörer.

Foto: Doppler Labs

Die Geschichte kalifornischer Start-ups ist nicht nur eine Geschichte großer Erfolge und Milliardenfirmen mit bescheidenen Anfängen in einer Reihenhaus-Garage. Es ist auch eine Chronik des Scheiterns, des Platzens von Träumen. Und eine Dokumentation eines Systems, das immer wieder zu skurrilen Auswüchsen neigt.

So konnte man heuer den Absturz von Juicero erleben. 120 Millionen Dollar hatte man dort an Investments für ein Gerät von gehypten Geldgebern gesammelt, das Säckchen mit Fruchtpüree auspresste. Die Maschine für 400 Dollar, die Kunden zu einem Bestellabo verlocken sollte, erwies sich dabei aber nur als minimal effizienter als menschliche Hände. Ähnlich erging es den Machern von Teforia, einer 1.000-Dollar-Teemaschine, die nur mit speziellen Kapseln arbeitete.

In diesen Tagen sperrt nun auch Doppler Labs zu und versenkt damit einen Großteil der insgesamt 50 Millionen Dollar an Investments, die man erhalten hat. Trotz gleichen Endes unterscheidet sich dessen Aufstieg und Fall allerdings von den zuvor genannten Beispielen. Wired dokumentiert, was schief gelaufen ist.

Here One

Lautstärkeanpassung und Simultanübersetzung

"Here One" heißt das Spitzenprodukt des Unternehmens. Nachdem man mit den "Dubs" und den "Here Active Listening" bereits zwei elektronisch verbesserte In-Ear-Kopfhörer an den Start gebracht hatte, sollte "Here One" nichts geringeres werden, als ein kleiner PC im Ohrhörer-Format.

Versprochen wurde nicht nur eine "Anpassung" der Umgebungslautstärke für Menschen mit Gehörbeeinträchtigungen, sondern auch Features wie Echtzeitübersetzung verschiedener Sprachen. Bei der Umsetzung war man eigentlich gut am Weg. Im Sommer 2016 war die Entwicklung, an der man seit der Firmengründung 2013 arbeitete, weitgehend abgeschlossen. In einer zweiten Finanzierungsrunde konnte man 24 Millionen Dollar einheimsen, womit man auf Gesamtinvestitionen von 50 Millionen Dollar kam. Unter den Geldgebern waren auch einige bekanntere Namen.

Schließlich traf man sich mit dem Hardware-Chef eines großen IT-Konzerns, dessen Name man zum Schutze für die nach neuen Jobs suchenden Mitarbeitern allerdings nicht nennt. Die Gespräche verliefen allen Anschein nach gut, die Doppler-Manager erwarteten ein großes Investment oder gar Kaufangebot.

Foto: Doppler Labs

Vielversprechender Start

Die ersten Vorproduktionsgeräte der eigenen Ohrhörer waren derweil aus der Fabrik gekommen und sorgten für Zuversicht. Die Hardware sah gut aus und die Software arbeitete solide – selbst die Echtzeitübersetzung war auf gutem Wege. Bei Wired zeigte man sich von dem Prototypen angetan. Die Firma lag optimal im Zeitplan, mit einer realistischen Chance, schneller am Markt zu sein, als Apple mit seinen Airpods.

Man wollte auf einen Firmenverkauf hinarbeiten, von dem man sich nicht nur Geld, sondern auch schnellere Entwicklung des eigenen Produkts erhoffte. Dafür bezog man ein edles Büro im Gebäude der Universal Music Group in San Francisco und spielte im Herbst den Gastgeber für zahlreiche potenzielle Interessenten, darunter auch Vertreter der fünf großen IT-Firmen Google, Apple, Amazon, Facebook und Microsoft.

An selbstbewusstem Auftreten mangelte es nicht. Man ging davon aus, dass das eigene Produkt der neue "heiße Scheiß" sei, dementsprechend setzte man Signale ab, dass man erst ab einem entsprechenden Preis zu haben sei. Konkrete Zahlen nennt Kraft nicht, er zieht jedoch einen Vergleich zum Start-up Dropcam, das Google 2014 für über eine halbe Milliarde Dollar schluckte.

Anfang vom Ende

Dann allerdings begannen die Probleme. Die Interessenten hatten klargestellt, dass sie sehen wollten, dass Doppler Labs in der Lage sei, die Here One-Hörer in Masse zu produzieren. Dafür wechselte die Firma schließlich den Hersteller, womit sich das Auslieferungsdatum von Jahresende 2016 ins Frühjahr 2017 – und damit hinter die Airpods – verschob. Und alleine dafür musste man weitere zehn Millionen Dollar aufstellen.

Allerdings folgten schlechte Nachrichten aus der Entwicklung. Die Kopfhörer waren zwar technisch ausgereift, die Akkulaufzeit lag jedoch unter den Erwartungen. Statt 4,5 Stunden mit Hörverbesserungen und drei Stunden im Musikstreaming-Betrieb, reichte die Laufzeit nur für drei bzw. zwei Stunden. Die Rezensionen fielen dann auch so aus, wie Kraft es erwartete: Lob für die Technologie, aber Enttäuschung hinsichtlich der Laufzeit. Zudem mehrten sich Berichte über Probleme mit der Ladehülle.

WIRED

Verzweifelte Suche

Dennoch wollte man nicht aufgeben und die aufgrund der Verzögerung langsam unruhig werdenden Vorbesteller sowie Handelspartner beliefern. Nachträglich, so denkt Kraft, wäre es besser gewesen, hier bereits die Reißleine zu ziehen. Denn die Verkaufszahlen der folgenden Monate erwiesen sich als Enttäuschung. Mehrere hunderttausend Stück der 300-Dollar-Ohrhörer wollte man an die Kundschaft bringen. Bis Mai waren es aber lediglich 25.000. Weitere 15.000 sitzen bis heute in einem Lager.

In den folgenden Monaten suchte man immer verzweifelter nach weiteren Investoren oder einem Käufer. Beides gelang nicht, man konnte nur wenige Millionen lukrieren, um zumindest noch kurze Zeit weiter zu machen. Am 10. November geht bei den Doppler Labs schließlich endgültig das Licht aus, derweil versucht man noch, Büroausstattung, Patente und anderen Besitztümer möglichst gewinnbringend zu veräußern sowie die Mitarbeiter bei ihrer Jobsuche zu unterstützen. Mit der Firma sterben auch die bereits weit fortgeschrittenen Pläne für eine zweite Generation der Ohrhörer, genannt Here Two.

Foto: Doppler Labs

Kein Einzelfall

Das Unternehmen ist eines von vielen Beispielen des Scheiterns im Bereich der Hardware-Start-ups. Laut einer Studie der Firma CB Insights ist es recht leicht, an schnelles Startkapital zu kommen, aber schwer, danach weiter hohe Investments zu lukrieren. Lediglich 24 Prozent aller Firmen absolvieren eine erfolgreiche, zweite Finanzierungsrunde. Und nur drei Prozent werden ein funktionales, "erwachsenes" Unternehmen.

Für Doppler war letztlich auch der Zeitpunkt schwierig. War man zum Start noch seiner Zeit voraus, haben nun die Silicon-Valley-Größen ihre Augen auf die Entwicklung von Geräten mit ihren Sprachassistenten gerichtet. Zuletzt hat etwa Google seine "Pixel Buds" vorgestellt. Mit den Ressourcen solcher Konzerne kann eine junge Firma freilich nicht mithalten. Zudem geben Kunden, wenn sie vor der Wahl stehen, ihr Geld lieber einem etablierten Player, als einem Neuling. (red, 06.11.2017)