Portsmouth – Ein wohlbekanntes und in der Tierwelt weit verbreitetes Verhalten ist der sogenannte Kleptoparasitismus: Dabei macht ein Jäger dem anderen, schwächeren dessen Beute streitig. Raubmöwen beispielsweise attackieren kleinere Seevögel so lange, bis diese ihre frisch gefangenen Fische fallen lassen. Und Hyänen sind in der Gruppe stark genug, eine Löwin von deren gerade erst geschlagener Beute zu vertreiben.

Forscher der Universität Portsmouth berichten nun von einem erstmals beobachteten Verhalten, das darüber noch hinausgeht, und haben dafür den Begriff Kleptoprädation geschaffen. Er bedeutet, dass der Angreifer nicht nur die Beute eines anderen Jägers frisst, sondern den Jäger gleich mit. Und das nicht im Sinne eines seltenen Glückstreffers Marke "Zwei für den Preis von einem", sondern ganz systematisch. Das Team um Trevor Willis berichtet von seinen Beobachtungen im Fachmagazin "Biology Letters".

Auffällige Erscheinung: Die Wander-Fadenschnecke ist in weiten Teilen des Mittelmeers verbreitet.
Foto: Gabriella Luongo

Beim Kleptoprädator handelt es sich um die Wander-Fadenschnecke (Cratena peregrina), eine Meeresschnecke aus der Gruppe der Nacktkiemer. Das Tier hat einen knapp fünf Zentimeter langen Körper mit auffälligen violetten Fortsätzen und ernährt sich von koloniebildenden Polypen. Analysen der Stickstoff-Isotopen in Schnecken und Polypen haben nun aber gezeigt, dass die Polypen nur einen Teil der Nahrung der Schnecken ausmachen – und sogar den deutlich kleineren. Den Großteil ihrer Nährstoffe erhalten die Schnecken von dem, was die Polypen ihrerseits erbeuten: winzige Krebstierchen und anderes Plankton.

Die Analysen ergaben, dass die Schnecken doppelt so oft Polypen, die sich gerade sattgefressen haben, attackieren wie hungrige: Das ist kein Zufall mehr, da steckt offenbar ein System dahinter. Laut Willis nutzen die bodenbewohnenden Schnecke die Polypen gewissermaßen als "Angeln", um an das Zooplankton zu kommen, das sie anders nicht erreichen würden.

Auch wenn das auf den ersten Blick nach einer besonders rücksichtslosen Strategie klingt, hat sie den Forschern zufolge eine nachhaltige Seite: Bei wahllosen Attacken könnten die Schnecken leicht ganze Polypenkolonien vernichten. Durch ihre gezielten Angriffe bleiben aber genug Polypen übrig, um die Kolonie fortbestehen zu lassen und das Gleichgewicht zwischen Beute, Jägern und den Jägern der Jäger aufrechtzuerhalten. (jdo, 5. 11. 2017)