Neben dem Weinbau und zahlreichen Beteiligungen investiert Hillinger nun in ein Hotel und eine Weinwelt. Kredit benötigt er dafür keinen, wie er sagt.

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Leo Hillinger musste hart kämpfen, um die Erfolgsleiter nach oben zu klettern. Geschlagen von seinem Vater, bedroht von der Russenmafia: Der Starwinzer erzählt über seinen schwierigen Beginn als Unternehmer. Dass er heute mehr als Society-Wesen denn als Winzer wahrgenommen wird, stört ihn, sieht sich Hillinger doch nach wie vor als Weinbauer. Seine Wein-Shops sind betriebswirtschaftlich kein Erfolg, erklärt er. Generell sieht er in der Gastronomie wenig zu holen. Die Auflagen seien zu groß. Das Sozialsystem hält er für überbordend, es fehlten Anreize zum Arbeiten.

STANDARD: Ob in den "Seitenblicken", bei Start-up-Castings, bei Vera Russwurm oder jetzt auch noch in einer Winzershow: Sie tanzen auf vielen Hochzeiten. Kommen Sie überhaupt noch zu Ihren Reben?

Hillinger: Das Wichtigste ist für mich immer noch, Winzer zu sein. Der Weingarten und den Wein machen, das ist meine Lebensphilosophie. Ich habe heute schon zweimal den Weinkeller durchgekostet und eine Cuvée gemacht. Es geht keine Flasche ohne mein Tun hinaus.

STANDARD: Und dennoch sind Sie bei Society-Events so präsent?

Hillinger: Dort mache ich eine kurze Gesichtswäsche. Ich bleibe eine halbe Stunde und bin wieder weg. Jeder glaubt, ich war den ganzen Abend anwesend. Ich kann auch gar nicht länger bleiben, weil ich jeden Tag um halb fünf zu arbeiten beginne. Die Zeit ist begrenzt auf dieser Erde, und die muss man nutzen. Ich bin Winzer aus Herzblut.

STANDARD: Aber Marketing ist schon auch eine Herzensangelegenheit?

Wenn der Wein nicht gut ist, wird er auch nicht mehr gekauft. Da hilft auch kein Marketing, meint Hillinger.
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Hillinger: Ein gutes Produkt verdient ein gutes Marketing. Schlechtes Produkt und gutes Marketing bringen den schnellen Tod. Der Endverbraucher kauft den Wein nur ein zweites Mal, wenn er gut war. Und ich bin gut. Ich habe die Weinwelt verändert. Darum habe ich auch viele Neider.

STANDARD: Woher nehmen Sie diese mehr als gesunde Portion Selbstvertrauen?

Hillinger: Das Selbstvertrauen kam mit Blindverkostungen. Da suche ich die besten Weine als Konkurrenten. Letzte Woche hatte ich von neun Weinen neun Sieger. Davon unter Sommeliers von neun Weinen sechs Sieger und drei zweite Plätze. Nur auf wichtig machen und nichts dahinter, das geht nicht.

STANDARD: Ist der Öffentlichkeitsdrang auch eine Kompensation der Kindheitsprobleme? In Ihrer Autobiografie schreiben Sie über Schläge durch Ihren Vater. Warum gehen Sie damit an die Öffentlichkeit?

Hillinger: Jetzt hat es mir gereicht. Irgendwann muss so etwas hinaus, das kann man nicht verheimlichen. Für meinen Vater war ich ein Taugenichts. Als Jugendlicher dachte ich wirklich, ich kann nichts. Darum bin ich wegen eines Praktikums ins Ausland gegangen. Gott sei Dank. Meine Mutter hat gesagt, du musst hinaus. Dann bin ich nach Deutschland, in die Pfalz. Statt drei Monaten wurden es drei Jahre. Dann habe ich ein Stipendium bekommen, bin nach Kalifornien, später nach Australien, Neuseeland und Südafrika gegangen.

STANDARD: In Ihren unternehmerischen Anfängen hatten Sie große finanzielle Sorgen. Wie kamen Sie an Geld?

Hillinger: Ich hatte mit dem Weinhandel meines Vaters 400.000 Euro Schulden – und das zu 17 Prozent verzinst. Weingärten besaß ich damals nicht, wollte aber unbedingt welche haben. Die Banken gaben mir kein Geld. Da kam ein Typ, den ich über einen Bekannten kannte, und bot mir Geld an. Ich nahm es, weil ich es für einen Auftrag brauchte, doch der Auftrag kam dann nicht. Da habe ich einen Druck gehabt. Der Geldgeber war eine Art Russenmafia.

STANDARD: Wie wurde dieser Druck ausgeübt?

Hillinger: Da muss man wissen, dass der Geldgeber 30 bis 50 Prozent Zinsen verlangt hat. Als dann die Probleme kamen, sagte er: Du willst doch nicht, dass deinen Eltern etwas passiert. Da habe ich nicht mehr schlafen können. Dann habe ich bei Freunden und Verwandten Geld aufgetrieben und den Typen ausbezahlt.

Seine Anfänge waren eher schwierig, schildert der Winzer.
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STANDARD: Auch der Kauf des Grundstücks, auf dem Sie vor 13 Jahren das neue Weingut mit dem markanten schwebenden Kubus errichtet haben, war kein Spaziergang.

Hillinger: Ich habe das Gut über einen Strohmann gekauft. Aus Neid wollte mir keiner der acht Grundstückseigner etwas verkaufen, obwohl ich 100 Euro geboten habe und der Grund nur 20 Euro pro Quadratmeter wert war. Der Hügel war eine Müllhalde. Als ich ihn gekauft habe und die Umwidmung brauchte, war auf einmal von Naturschutzgebiet die Rede. Ich wurde mit Anzeigen eingedeckt.

STANDARD: Trotz Ihres Qualitätsanspruchs fahren Sie bei Hofer die Billigschiene Flat Lake. Wie passt das zusammen?

Hillinger: Das ist eine andere Marke, die hat mit meiner nichts zu tun. Das ist ein Projekt junger Winzer. Ich sage ihnen, wie sie es machen sollen. Das ist ein Werkzeug, damit der Umstieg für den Cola- oder Biertrinker nicht zu groß ist. Warum sollen wir da Weine aus Kalifornien oder Chile nehmen? Das Projekt Flat Lake ist der größte Weinverkäufer Österreichs. Das geht nur, weil das Preis-Leistungs-Verhältnis so unschlagbar ist.

STANDARD: Dann gibt es auch noch die Gastronomie, die Hillinger-Shops. Wie läuft es da?

Hillinger: Betriebswirtschaftlich gesehen war es einer meiner größten Fehler. Da verbrennt man richtig Kohle. Wenn Du Geld hast, darfst Du keine Gastronomie machen, sonst hast Du danach weniger Geld. Österreich hat sich darauf spezialisiert, Gastronomen umzubringen. Für meine Marke selbst sind die Shops aber natürlich sehr wichtig!

Das Hillinger-Weingut im burgenländischen Jois.
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STANDARD: Woran liegt das?

Hillinger: Die Behörden machen alles sehr schwierig. Mit den Auflagen steigen die Kosten. Dann noch die Arbeitszeitregelungen und die Überstundenzuschläge. Wenn man als Gastronom Mitarbeiter braucht, geht es sich nicht aus. Dazu kommt, dass niemand am Wochenende arbeiten will. Jeder hat seine Work-Life-Balance im Kopf.

STANDARD: Sehen Sie darin ein Spezifikum in der Gastronomie oder einen allgemeinen Trend?

Hillinger: Ich denke, das ist ein allgemeiner Trend. Ich arbeite bis zu 20 Stunden am Tag, das wollen manche nicht einmal in der Woche arbeiten und leiden dann noch an einem Burn-out.

STANDARD: Haben Sie generell politische Anliegen?

Hillinger: Die Übersozialisierung ist ein Riesenproblem. Es läuft viel in die falschen Kanäle. Das System wird ausgenutzt. Ein enges Sozialnetz ist wichtig, ich zahle auch gerne Steuern. Aber ich sehe nicht ein, dass das ausgenutzt wird.

STANDARD: Ist das nicht etwas klischeehaft, die Rede von der sozialen Hängematte?

Hillinger: Wer geht denn arbeiten, wenn er 100 oder 200 Euro mehr hat als in der Arbeitslose? Wir müssen aus unserer Komfortzone herauskommen.

STANDARD: Sie haben immer neue Projekte in der Pipeline. Was sind die nächsten Schwerpunkte?

Hillinger: In Jois baue ich ein Hotel unter dem Motto: Stay with the grapes – das Hill-Hotel. Dort mache ich auch eine virtuelle Weinwelt. Da sieht der Verbraucher den Weg der Traube. Es gibt einen Keller, einen Pfad, da kann der Besucher die ganzen Produktionsabläufe mitverfolgen, eine Verbindung mit dem Produkt aufbauen. Das wird im Frühjahr 2019 starten.

STANDARD: Kostenpunkt?

Hillinger: Sieben Millionen das Hotel, die Weinwelt zehn Millionen. Dazu kommt noch ein Veranstaltungszentrum im alten Presswerk in Winden am See. Die Erntekeller waren früher ein Teil des Heiligenstädter Stifts, die habe ich von einem deutschen Wella-Erben gekauft.

STANDARD: Wie finanzieren Sie das?

Hillinger: Das habe ich schon im Griff. Das zahlen wir aus dem Cashflow heraus. Und mit den Reserven der letzten Jahre geht sich das aus. (Andreas Schnauder, 5.11.2017)