Beppe Grillo auf Touren.

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"Sizilien war schon immer die Übertreibung Italiens – im Guten wie im Schlechten", betonte der Kandidat des von Ex-Premier Silvio Berlusconi angeführten Mitte-rechts-Lagers, Nello Musumeci, unlängst in einem Interview. Das ist hübsch ausgedrückt – und auch zutreffend. Daher sind die Regionalwahlen auf der Insel am Wochenende auch so spannend: Sie gelten als letzter großer Test vor den Parlamentswahlen, voraussichtlich am 4. März 2018.

Im Vorfeld des Sizilien-Orakels kam denn auch viel nationale Politik-Prominenz. Beppe Grillo, Chef der Protestpartei Fünf Sterne (M5S), machte Stimmung für seinen Kandidaten Giancarlo Cancellieri: Sizilien müsse sich "ein Beispiel an Lagos, der Hauptstadt Nigerias" (sic!), nehmen. Die "Fünf-Millionen-Einwohner-Stadt im Zentrum Afrikas" (sic!) zähle weltweit zu den "Metropolen mit der höchsten Lebensqualität" (sic!); mit ihren Wolkenkratzern sehe sie aus "wie Las Vegas", und es gebe dort auch "ähnlich schöne Strände" (sic!).

Afrikanische Fakenews

Tatsächlich ist aber Abuja die Hauptstadt Nigerias; Lagos liegt außerdem nicht im Zentrum, sondern an der Westküste Afrikas; und sie zählt 18 statt fünf Millionen Einwohner. Eine Oase ist Lagos mit seinen Elendsvierteln und der hohen Kriminalitätsrate auch nicht unbedingt. Und in Las Vegas gibt es zwar Wüstensand, aber keine Strände. Grillo hat schon viele Fake-News verbreitet, doch so viel Unsinn in einem einzigen Auftritt hat der Guru der "Grillini" bisher noch selten verzapft. Aber Sizilien ist eben für jede Übertreibung gut.

Geschadet hat die Peinlichkeit Grillo nicht. Genauso wenig schadet Silvio Berlusconi der Umstand, dass sich auf den Wahllisten seiner Forza Italia mehrere Kandidaten mit Justizproblemen befinden – ein altes Übel beim Ex-Premier. Einer der Kandidaten ist in erster Instanz wegen Korruption und anderen Delikten zu elf Jahren Gefängnis verurteilt worden, ein anderer ist wegen mehr als 20 Delikten angeklagt, ein dritter ist eng verwandt mit einem Mafiaboss. Auch gegen Berlusconi wird neuerdings wieder ermittelt: Er soll vor 25 Jahren die Fäden gezogen haben bei den Bombenattentaten gegen die Mafiajäger Giovanni Falcone und Paolo Borsellino.

Wegen der gleichen Sache waren vor Jahren bereits zwei andere Verfahren eingeleitet worden; bei beiden konnte Berlusconi keine Beteiligung nachgewiesen werden. Und so ist das neue Verfahren eigentlich beste Wahlkampfwerbung, wie Berlusconi am Mittwoch in Palermo betonte: Er könne sich nun einmal mehr als Opfer der "roten Staatsanwälte" inszenieren.

Renzi droht Karriere-Ende

Der einzige Parteichef, der seinem sizilianischen Spitzenkandidaten nicht zu Hilfe eilte, ist der Vorsitzende der sozialdemokratischen Regierungspartei PD, Matteo Renzi. Der Grund: Sein Kandidat Fabrizio Micari, Rektor der Universität von Palermo, riskiert eine böse Abfuhr, und so versucht der Ex-Premier, die Sizilien-Wahl als "lokale Angelegenheit" herunterzuspielen – was aber nicht der Fall ist: In Sizilien gilt für den PD schon jetzt, was auch im Frühling 2018 bei der Parlamentswahl gelten wird: Renzis Partei muss gegen zwei starke populistische Gegner antreten, während man selbst zerstritten ist und zudem Konkurrenz von links erhält.

Sollte Micari durchfallen, könnte dies Renzis eigene Spitzenkandidatur im Frühling kosten. Schon heute fragen sich im PD etliche, ob mit dem polarisierenden Ex-Premier überhaupt noch Wahlen zu gewinnen seien – oder ob man nicht besser auf den unaufgeregten Gentiloni setzen sollte. Nur dem amtierenden Regierungschef, so geht die Überlegung, könnte es vielleicht noch gelingen, die Partei intern zu befrieden und die radikale Linke im Wahlkampf zu einem Nichtangriffspakt zu überreden. (Dominik Straub aus Rom, 4.11.2017)