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Traditioneller Tanz der Stl'atl'imx Nation in Kanada. Weil Stammesvorsitzende auch "Chiefs" genannt werden, soll die Verwendung des Begriffs als Chef im allgemeinen Sprachgebrauch zurückgedrängt werden.

Foto: AP/Jonathan Hayward

Vancouver – Kanada ist immer noch das Land der Political Correctness. Auf diesem Pfad tauchen oft Hindernisse auf. So haben die Schulbehörden von Toronto und dem Ballungsraum der Stadt das Wort "Chief" von Berufsschildern entfernen lassen. Der "Chief Janitor" zum Beispiel, der Chefhausmeister oder Oberhauswart, ist jetzt kein Chef mehr.

Grund für den Schritt ist der Umstand, dass "Chief" noch eine andere Bedeutung hat, näm- lich Stammesvorsitzender oder Häuptling. Der Zeitung National Post erklärte der Sprecher der Schulbehörden sinngemäß, es habe mit dem Respekt gegenüber der indigenen Bevölkerung Kanadas zu tun.

"Squaw" abwertend

Die konservative "National Post" bezeichnete daraufhin Kanada als das "dümmste aller Länder", in dem ein ursprünglich lateinisches Wort – "caput" (Anführer) – nun plötzlich politisch inkorrekt sei.

Vor einigen Jahren gab es eine Kontroverse um das Wort "Squaw", das indianische Frauen als abwertend empfanden. Das konnten viele Kanadier nachvollziehen. Aber "Chief" ist kein indigenes Wort und weit herum in Berufsbezeichnungen gebräuchlich.

Eine andere bislang harmlose Funktionsbezeichnung an Schulen ist ebenfalls ins Zwielicht geraten: Der Vorsteher des Massey College, das Teil der Universität von Toronto ist, wird fortan nicht mehr mit dem traditionellen "Master" bezeichnet, sondern "Head" genannt.

Aus Spaß wurde Ernst

Schuld daran ist eine als Spaß gedachte Bemerkung von Michael Marrus, einem emeritierten Professor und Holocaustexperten. Als er mit Hugh Segal, dem Master des Massey College, und drei Studierenden am Mittagstisch saß, sagte er zu einem Studenten: "Du weißt, dass er dein Master ist, nicht? Spürst du die Peitsche?" Das geriet dem Studenten, einem Schwarzen, in den falschen Hals. Er beschwerte sich über Marrus, der Träger des höchsten Verdienstordens in Kanada ist. Zwischenzeitlich ist Marrus zurückgetreten und unterwirft sich einem Anti-Rassismus-Training.

In einem Minenfeld von möglichen Fehltritten zu navigieren ist manchmal selbst für Insider nicht einfach. Die Bezeichnung "Indian" für Indianer ist in Kanada schon lange offiziell verpönt. Aber der Experte Bob Joseph von der Gwawaenuk-Nation in British Columbia hat kürzlich eingeräumt, dass manche Indianernationen das Wort trotzdem in ihrem Stammesnamen führen. So bezeichnet sich die Osoyoos Indian Band auf öffentlichen Schildern genau so.

Eine Zeitlang galten das englische "aboriginal" (eingeboren) oder "native" (Ureinwohner) als salonfähig, aber manchen Gruppen der "First Nations" gefallen diese Bezeichnungen nicht. So gebraucht man derzeit meist "indigenous" (Indigene) – so etwa auch die Regierung in Ottawa. (Bernadette Calonego aus Vancouver, 4.11.2017)