Washington – Die damalige Vorsitzende der US-Demokraten, Donna Brazile, hat auf dem Höhepunkt des Wahlkampfes 2016 "ernsthaft" erwogen, Spitzenkandidatin Hillary Clinton gegen den damaligen Vizepräsident Joe Biden auszuwechseln. Das schreibt sie nach Medienberichten in ihrem neuen Buch, das am Dienstag auf den Markt kommen soll.

Anlass für ihre Überlegungen war demnach, dass Clintons Wahlkampf "anämisch" gewesen sei und den "Geruch des Versagens" angenommen habe.

Brazile hätte sich zwar als Parteichefin nicht eigenhändig über das parteiinterne Vorwahlergebnis hinwegsetzen können, das zu Clinton Nominierung geführt hatte. Aber sie habe nach Clintons Ohnmachtsanfall während einer Gedenkfeier am 11. September 2016 daran gedacht, mögliche Prozeduren in Gang zu setzen, um Clinton und deren Vize-Kandidaten Tim Kaine durch das Duo Biden und Senator Cory Booker zu ersetzen.

Aber dann, so zitiert die "Washington Post" aus den Memoiren, "dachte ich an Hillary und all die Frauen im Land, die so stolz auf sie waren (...). Ich konnte es ihnen nicht antun".

Gute Absichten, schlechter Wahlkampf

Brazile beschreibt Clinton als historische Kandidatin mit guten Absichten, aber einem schlecht gemanagten Wahlkampf. Wählerstimmen seien als selbstverständlich betrachtet und "steife" und "dumme" Botschaften verbreitet worden. Der Wahlkampf sei so leidenschaftslos gewesen, dass das New Yorker Hauptquartier einem sterilen Hospital geähnelt habe, "in dem jemand gestorben ist".

Mehr als 100 frühere Mitglieder des Clinton-Teams wiesen die Darstellung Braziles entschieden zurück. Das sei nicht der Wahlkampf, wie sie ihn in Erinnerung hätten, schrieben sie der "Washington Post" zufolge in einem offenen Brief.

Bereits zuvor hatte Brazile in einem Gastbeitrag für das Magazin "politico" erklärt, die Vorwahlphase sei zu Clintons Gunsten und gegen deren parteiinternen Widersacher Bernie Sanders manipuliert worden. Vereinbarungen zwischen den Parteiführung und dem Clinton-Lager habe es bereits seit August 2015 gegeben, lange vor Beginn der Vorwahlen. (APA, dpa, 5.11.2017)