Beirut – Der libanesische Präsident Michel Aoun hat am Montag angekündigt, keine Schritte zur formellen Annahme des Rücktritts von Ministerpräsidenten Saad al-Hariri einleiten zu wollen, solange dieser nicht in den Libanon zurückkehrt. Der Rücktritt müsse außerdem "freiwillig in jeder Hinsicht" erfolgen.

Hariri hatte am Samstag überraschend von Saudi-Arabien aus seinen Rücktritt verkündet. Er fürchte, wie sein Vater – der frühere Ministerpräsident Rafik Hariri – ermordet zu werden, begründete der 47-Jährige seine Entscheidung. Dem Iran und der schiitischen Hisbollah-Miliz warf der sunnitische Politiker vor, im Libanon einen "Staat im Staat" geschaffen zu haben.

Hariri hatte erst vor knapp einem Jahr erneut die Regierung übernommen. Das Parlament ist tief gespalten zwischen dem von den USA und dem sunnitischen Saudi-Arabien unterstützten Lager um Hariri und einem von der Hisbollah-Partei angeführten Block, der vom Iran und Syrien unterstützt wird. Die Gräben haben sich durch den Bürgerkrieg in Syrien, in dem die Hisbollah auf der Seite von Machthaber Bashar al-Assad kämpft, weiter vertieft.

"Saudische Entscheidung"

Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah wies die Vorwürfe Hariris am Sonntag zurück. Der Rücktritt sei eine "saudische Entscheidung" gewesen, Riad habe Hariri dazu gedrängt, behauptete Nasrallah.

Es sei weder Hariris Absicht noch sein Wille noch seine Entscheidung gewesen, erklärte der Hisbollah-Chef in einer Fernsehansprache. Es sei eine legitime Frage, ob Hariri in Saudi-Arabien unter Hausarrest stehe. Nasrallah rief die Libanesen zu Ruhe und Geduld auf. Die politischen Führer des Libanon erwarteten die Rückkehr Hariris am Donnerstag, so er die Erlaubnis dazu erhalte. Nun ist unklar, wie das politische Vakuum in dem Land, in dem die Erzrivalen Iran und Saudi-Arabien um Einfluss ringen, gefüllt werden soll.

"Habe gefühlt, was heimlich ausgeheckt wird"

Im Libanon herrschte aufgrund komplizierter ethnisch-religiöser Rivalitäten mehr als zwei Jahre politischer Stillstand, bevor der Sunnit Hariri Ende 2016 Premier wurde. Am Samstag hatte er von Saudi-Arabien aus völlig überraschend seinen Rücktritt nach nicht einmal einem Jahr Amtszeit verkündet.

Hariri deutete zudem an, dass er um sein Leben fürchte. "Ich habe gefühlt, was heimlich ausgeheckt wird, um auf mein Leben zu zielen." Er verglich die Situation im Libanon mit der von 2005, als Hariris Vater, der ehemalige Ministerpräsident, Geschäftsmann und Multimillionär Rafik al-Hariri, bei einem Bombenattentat in Beirut getötet worden war. Verdächtigt werden der syrische Geheimdienst und die Hisbollah.

Die libanesische Armee teilte dagegen am Sonntag mit, dass es keine Beweise für ein Mordkomplott gegen den ehemaligen Regierungschef gebe. (red, APA, 5.11.2017)