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Am Sonntag forderten tausende Menschen in Barcelona die Freilassung der inhaftierten Mitglieder der katalanischen Regionalregierung.

Foto: AP/Manu Fernandez

Barcelona/Madrid/Brüssel – Der von Spanien abgesetzte katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont hat die Inhaftierung von Mitgliedern seiner ehemaligen Regierung durch Madrid scharf kritisiert. Seine Gedanken seien bei den Kollegen, die "ungerechterweise von einem Staat inhaftiert wurden, der weit entfernt von der demokratischen Praxis ist", schrieb Puigdemont am Montag im Kurzbotschaftendienst Twitter.

Ein Gericht in Madrid hatte vergangene Woche acht Mitglieder von Puigdemonts abgesetzter Regierung in Untersuchungshaft genommen, darunter seinen Stellvertreter Oriol Junqueras.

Ein Gericht in Belgien hatte in der Nacht auf Montag den früheren katalanischen Regierungschef Carles Puigdemont und vier seiner Minister nach einer Anhörung im Auslieferungsverfahren gegen Bedingungen in der Nacht auf Montag auf freien Fuß gesetzt. Demnach dürfen die Betroffenen das Land vorerst nicht verlassen und müssen eine feste Wohnadresse haben. Über das weitere Verfahren werde in den nächsten 15 Tage entschieden, teilte die Justiz mit.

Das Verfahren könnte sich aber noch weiter in die Länge ziehen: Nach den EU-Regeln hat die belgische Justiz insgesamt 60 Tage Zeit, um über die Auslieferung zu entscheiden – in Ausnahmefällen kann die Frist um weitere 30 Tage verlängert werden. In der Regel wird ein europäischer Haftbefehl vollstreckt, wie ihn Spanien erwirkt hat. Es kann aber auch Ausnahmen geben.

30 Jahre Haft möglich

Der von Madrid entmachtete Regionalpräsident und die vier Minister hatten sich Sonntagfrüh den belgischen Behörden gestellt. Spanien hatte in der Vorwoche den Haftbefehl gegen die Separatisten beantragt, denen in Zusammenhang mit der Unabhängigkeitserklärung Kataloniens Rebellion, Aufruhr und Veruntreuung öffentlicher Gelder vorgeworfen werden. Allein für die Rebellion drohen ihnen bis zu 30 Jahre Haft.

Grund dafür ist die einseitige Unabhängigkeitserklärung, die das katalanische Parlament am Freitag vor einer Woche beschlossen hatte. Die Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte die Regionalregierung daraufhin abgesetzt und Katalonien unter Zwangsverwaltung gestellt. Für den 21. Dezember hat Rajoy Neuwahlen angesetzt.

Puigdemont war bereits vor der Anklageerhebung nach Brüssel ausgereist. Der 54-Jährige hatte in den vergangenen Tagen klargemacht, dass er sich der belgischen Justiz stellen werde, nicht aber der spanischen, weil er diese als politisiert ansieht. Acht frühere Regierungsmitglieder sind von der spanischen Justiz bereits in Untersuchungshaft genommen worden.

Plakataktion in Barcelona am Sonntag

In Barcelona und anderen katalanischen Gemeinden verlangten unterdessen tausende Menschen am Sonntag mit einer Plakataktion die Freilassung der ehemaligen Regierungsmitglieder und der Vorsitzenden der separatistischen Bürgerbewegungen ANC und Omnium Cultural. Neben Jordi Sánchez und Jordi Cuixart sitzen sieben Mitglieder der Regionalregierung wegen des Unabhängigkeitsreferendums und der Ausrufung der Unabhängigkeit seit Donnerstagabend in Untersuchungshaft.

Parlamentswahl am 21. Dezember

Puigdemont rief die Unabhängigkeitsbefürworter zur Einheit bei der Parlamentswahl am 21. Dezember auf. Auf Twitter verwies er am Samstag auf eine Internetpetition zur Bildung einer Einheitsliste. Einer aktuellen Umfrage für die katalanische Zeitung "La Vanguardia" zufolge könnten die Separatisten ihre absolute Mehrheit verlieren. Demnach können die Linksrepublikaner (ERC), die gemäßigten Nationalisten (PDeCat) und die linksradikale CUP nur auf 66 Parlamentssitze hoffen. Damit würden ihnen zwei Sitze zur absoluten Mehrheit fehlen, nachdem sie bisher 72 Sitze hatten.

Sollte sich diese Prognose bewahrheiten, könnte der separatistische Parteienblock in Katalonien nur noch auf 46 Prozent der Bevölkerung zählen, zwei Prozentpunkte weniger als zuvor.

Katalanen zweifeln am einseitigen Loslösungsversuch

Der Einbruch hätte noch stärker ausfallen können. Eine Mehrheit der Katalanen sprach sich zuvor gegen die Durchführung des illegalen Referendums aus. Der massenhafte Abzug von Unternehmen aus Katalonien und die fehlende internationale Unterstützung nach der Ausrufung der Unabhängigkeit lassen viele Katalanen am einseitigen Loslösungsversuch zweifeln.

Doch zeigt die Umfrage auch klar, dass eine Mehrheit der Katalanen sich gegen die Zwangsentmachtung der Regionalregierung (56 Prozent) und gegen die Inhaftierung und juristische Verfolgung der abgesetzten Regierungsmitglieder (60 Prozent) ausspricht. Knapp 70 Prozent der Befragten äußerten die Ansicht, dass die Untersuchungshaft für die acht Ex-Regierungsmitglieder den separatistischen Parteien Auftrieb geben werde. (APA, red, 6.11.2017)