Wien – Udo B. ist krank. Vor zehn Jahren brach bei ihm eine bipolare Störung aus, er wurde manisch-depressiv. An sich wäre das kein großes Problem, wäre der 54-Jährige im Vorjahr nicht auf die Idee gekommen, seine Medikamente abzusetzen und Menschen mit dem Umbringen zu bedrohen. Deshalb muss sich der Pensionist als Betroffener vor einem Schöffensenat unter Vorsitz von Stefan Apostol verantworten, der über die Einweisung von B. in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher entscheidet.

Das Medieninteresse an dem Prozess ist überdurchschnittlich, der Grund dafür liegt in einem der Opfer: Baumeister und Ex-Politiker Richard Lugner. Dem versprach der Betroffene im April 2016, bei Anhängern des Fußballklubs SK Rapid 400 Unterstützungserklärungen für Lugners Präsidentschaftskandidatur sammeln zu können, als Gegenleistung wollte er eine 10.000-Euro-Spende für das St.-Anna-Kinderspital.

Stimmen sammeln bei Rapid

"Ich habe ihn nur ein einziges Mal gesehen", erinnert sich Lugner als Zeuge. "Ich habe mir gedacht, das kann so nicht gehen, er wollte die Unterschriften bei einem Auswärtsspiel in Wels sammeln, aber das hätte die Wahlbehörde nicht anerkannt", beweist der 85-Jährige Kenntnis der Wahlordnung.

Stattdessen sollte sich Lugners Sohn mit der Sache befassen, der ebenfalls dankend ablehnte, in weiterer Folge aber von B. telefonisch bedrängt und bedroht wurde. Apostol zitiert aus den an "Alexander Nachgeburt Lugner" gerichteten Nachrichten. B. drohte mit Ungemach, schrieb von einem "sizilianischen Angebot", davon, das er "Beweismaterial an CNN, Al-Jazeera und sogar die Scheiß-'Kronen Zeitung'" liefern würde.

Neben den 10.000 Euro forderte er auch den Rückzug von Lugners Kandidatur, andernfalls würde dessen damalige Ehefrau entführt werden. Er kündigte beispielsweise auch an, Lugners Sohn nach Kolumbien zu bringen und ihm dort ein Rezept zu servieren: "Den eigenen Schwanz in Bananenblättern gedünstet."

Wutausbruch beim Zahnarzt

Nicht nur die illustre Familie wurde Ziel von B.s Zorn, der sich heute, seit acht Monaten in ambulanter Behandlung, dafür entschuldigt. Zwei Ordinationsgehilfinnen in einer Zahnarztpraxis bedrohte er mit dem Umbringen, da er keinen Termin bekam. Polizisten, die ihn festnahmen, bekamen ebenso einiges zu hören. Dem einen drohte er einen Bruch des Kehlkopfs an, dem anderen beschied er: "Bist du ein Moslem? Ich hasse Moslems und Araber, du Schwuchtel, ich bring dich um!"

Interessanterweise kamen zwei psychiatrische Sachverständige zu gegenteiligen Meinungen über die Zurechnungsfähigkeit des Betroffenen, Apostol musste einen Obergutachter zurate ziehen. Der diagnostiziert bei B. eine "schizoaffektive Störung", sein ebenfalls aussagender Kollege dagegen eine "psychotische Manie". Einig sind sie sich aber, dass er zurechnungsunfähig gewesen sei und die Erkrankung mit Depotspritzen der Medikamente gut behandelt werden könnte.

Empfohlen wird daher, die Einweisung nur bedingt auszusprechen, dem Betroffenen allerdings Auflagen zu erteilen, an die er sich halten muss – neben der Depotspritze auch die Behandlung in einem forensischen Zentrum und eine regelmäßige Abstinenzkontrolle. Der Senat folgt, nicht rechtskräftig, der Einschätzung der Experten. (Michael Möseneder, 6.11.2017)