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Undatierte Aufnahme von Marie Curie in ihrem Labor in Paris. Das Leben der Physikerin war von Erfolgen und Rekorden, aber auch von Hindernissen und Tragödien geprägt.

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Drei künftige Nobelpreisträger: Pierre, Irène und Marie Curie im Jahr 1902. Vier Jahre später kam Pierre bei einem Unfall ums Leben.

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In diesem zum Labor umfunktionierten Schuppen im Hof der Hochschule für angewandte Physik und Chemie in Paris isolierte Curie das Radium.

Foto: OEuvres de Pierre Curie

Wien – Im September des Jahres 1867 ließ sich der schwedische Chemiker Alfred Nobel eine Erfindung patentieren, die ihn reich machen sollte: das Dynamit. Vor seinem Tod verfügte er, dass mit seinem Vermögen eine Stiftung gegründet werden solle, deren Zinsen "als Preis denen zugeteilt werden, die im verflossenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen geleistet haben".

Wenige Wochen nachdem Nobel den wirtschaftlichen Grundstein für die bis heute höchste wissenschaftliche Auszeichnung – den Nobelpreis – gelegt hatte, kam in Warschau ein Mädchen zur Welt, dass die Wissenschaft revolutionieren und dafür ebendiesen Preis als erste Frau erhalten sollte – und das gleich zweimal: Am 7. November 1867 wurde Maria Sklodowska, besser bekannt als Marie Curie, wie sie später hieß und auch hier fortan genannt wird, als fünftes Kind in eine polnische Lehrerfamilie geboren.

Ihre Geschichte liest sich wie ein atemberaubender Roman: Sie handelt von einer Frau, die es unter größten Entbehrungen gegen die Konventionen und den Sexismus ihrer Zeit aus eigener Kraft an die Weltspitze der Forschung schafft, der aber noch am Höhepunkt ihrer Entdeckungen vielfach alle Fähigkeiten abgesprochen werden. In der Öffentlichkeit mal bejubelt, mal verschmäht, ist ihre Biografie von Leistungen durchzogen, die ihr bis heute einen Ehrenplatz in der Wissenschaftsgeschichte garantieren.

Schwierige Kindheit

Marie Curies Eltern, die zur Warschauer Intelligenzija zählten, legten großen Wert auf die Bildung der Kinder, hatten jedoch mit finanziellen Schwierigkeiten und der restriktiven Situation im damals von Russland kontrollierten Teil Polens zu kämpfen. Der frühe Tod der Mutter 1878 war ein schwerer Schlag für Marie Curie, die sich immer mehr zurückzog, gleichzeitig aber in der Schule mit den besten Noten glänzte.

Der Druck des Vaters, Bestleistungen zu erbringen, war groß, Maries Begabung zeigte sich schon früh: 1883 schloss sie als 15-Jährige das Gymnasium nicht nur als Klassenbeste, sondern als Jahrgangsbeste ab. Kurz darauf erlitt sie einen körperlichen und psychischen Zusammenbruch und versank in einer Depression – die erste Episode einer Krankheit, die sie immer wieder heimsuchen sollte.

Das folgende Jahr verbrachte sie zur Erholung auf dem Land. Längst hatte sich die junge Frau, die jedes Buch las, das sie in die Finger bekommen konnte, dazu entschlossen, Wissenschafterin zu werden. 40 Jahre später schrieb sie über diese Zeit: "Die Literatur interessierte mich ebenso sehr wie die Soziologie und die Naturwissenschaften. Dennoch gab ich mir alle Mühe, darauf zu kommen, wo meine eigentliche Vorliebe lag, und so wendete ich mich endlich der Mathematik und Physik zu."

Aufbruch nach Paris

In Polen war ein Studium jedoch keine Option: Frauen waren von den Universitäten ausgeschlossen. Der Vater, der zwar gleiche Bildungschancen für Männer und Frauen propagierte, sah sich nicht in der Lage, ein Auslandsstudium für Marie und ihre ältere Schwester Bronia, die Ärztin werden wollte, zu finanzieren: Das wenige Geld wurde in das Medizinstudium von Josef, dem zweitältesten Kind, gesteckt.

Die Schwestern schmiedeten einen Plan: Marie würde in Polen eine Stelle als Hauslehrerin annehmen und Bronia Geld schicken, damit diese nach Paris gehen konnte, wo Frauen studieren durften. Nach ihrem Abschluss sollte Bronia Marie nachholen. Gesagt, getan: 1891 zog Marie nach Paris und schrieb sich auf der Sorbonne für ein Physikstudium ein. Bald besuchte sie Seminare berühmter Professoren wie Gabriel Lippmann oder Henri Poincaré.

1893 schloss sie die Abschlussprüfung in Physik als Jahrgangsbeste ab. Zu dieser Zeit lernte sie Pierre Curie kennen. "Es entwickelte sich ein Gespräch zwischen uns, das bald freundschaftlichen Charakter annahm: Wir sprachen über wissenschaftliche Fragen, und ich war glücklich, mich mit ihm beraten zu können", erinnerte sich Marie später an die erste Begegnung mit dem Physiker. Aus Freundschaft wurde Liebe, 1895 heirateten die beiden.

Rätselhafte Strahlen

Pierre organisierte für Marie einen Raum an der École municipale de physique et de chimie industrielles, an der er unterrichtete. Sie brauchte für die Nutzung der winzigen Kammer eine Sondergenehmigung – aber immerhin: Marie Curie hatte zum ersten Mal im Leben so etwas wie ein Labor.

Bald nach der Hochzeit schlug die Entdeckung eines anderen Physikers Wellen: Wilhelm Conrad Röntgen stieß auf die X-Strahlen und löste damit eine weltweite Euphorie aus. Die erfasste auch Henri Becquerel, der seine Untersuchungen zur X-Strahlung auf phosphoreszierende Uransalze ausdehnte und Hinweise auf Strahlen fand, die mit Röntgens Entdeckung nichts zu tun haben konnten.

Marie Curie, die 1897 ihre erste Tochter, Irène, zur Welt gebracht hatte und neuerlich in Depressionen geschlittert war, hatte ein Thema für ihre Dissertation: die rätselhaften Becquerel-Strahlen. "Das Studium dieses Phänomens schien uns sehr interessant, umso mehr, als über die ganze neue Frage noch keine Literatur existierte", schrieb sie später.

Die Entdeckung Radioaktivität

Mit Pierres Hilfe machte sich Marie Curie an die aufwendige Vermessung zahlreicher uranhaltiger Metalle. Sie erkannten, dass die Strahlung keine chemische Eigenschaft der Uranverbindungen sein konnte, sondern aus der Materie selbst kommen musste – eine atomare Eigenschaft, der sie nun einen Namen gab: Radioaktivität. Bald zeigte sich, dass auch Thorium starke Strahlung erzeugt. Marie Curie weitet ihre Forschung aus und machte eine bedeutsame Entdeckung: Als sie Pechblende testete, ein dunkles Mineral, das in Bergwerken abgebaut wurde, stellte sie fest, dass diese viel stärker strahlte als das darin enthaltene Uran.

Verbarg sich hier ein bislang unbekanntes Element? In mühevoller Arbeit begannen die Curies mit der Isolierung und stellten bald schon fest: Sie waren nicht auf eines, sondern auf zwei neue Elemente gestoßen: Sie nannten sie Polonium (zu Ehren von Maries Heimat Polen) und wegen seiner ungeheuren Radioaktivität Radium (von lat. radius, Strahl).

Nobelpreis mit Hindernissen

Als Marie Curie 1903 als erste Frau in Frankreich ihre Dissertation verteidigte, litten sowohl sie als auch Pierre bereits unter gesundheitlichen Problemen. Im November jenes Jahres wurde ihnen für ihre Arbeit, gemeinsam mit Becquerel, der Physiknobelpreis zugesprochen. Dass auch Marie Curie damit bedacht wurde, ist der Intervention mehrerer Wissenschafter zu verdanken – zunächst standen nur die beiden Männer auf der Vorschlagsliste.

Der Nobelpreis verbesserte die Arbeitsbedingungen der Curies bedeutend: Pierre erhielt einen Lehrstuhl an der Sorbonne, Marie eine bezahlte Assistenzstelle. Nach der Geburt der zweiten Tochter, Eve, machte sich Marie Curie an die weitere Erforschung des Radiums, als 1906 ein Unfall geschah: Pierre geriet unter einen Pferdewagen und starb mit 46 Jahren. Inmitten ihrer größten Krise und unter immer deutlicheren Vorzeichen des körperlichen Verfalls widmete sich Marie Curie nur noch ihrer Arbeit, mit dem Ziel, reines Radium zu isolieren.

Wissenschaftliche Rekorde

Der endgültige Durchbruch gelang 1910, zwei Jahre nachdem man sich an der Sorbonne dazu durchgerungen hatte, ihr Pierres Lehrstuhl zu überlassen und damit erstmals eine Frau zu berufen. Die französische Akademie der Wissenschaften verwehrte Marie Curie hingegen noch 1911 die Aufnahme. Anders in Stockholm: Im November 1911 wurde ihr abermals ein Nobelpreis zuerkannt, diesmal in Chemie.

Sie hatte nun als erste Frau nicht nur einen, sondern zwei Nobelpreise erhalten sowie als erster Mensch zwei Preise in unterschiedlichen Kategorien. In der französischen Presse wurde sie jedoch attackiert – für ihre Affäre mit dem verheirateten Physiker Paul Langevin. Unbeirrt arbeitete sie weiter und unternahm in ihren letzten Jahren trotz schlechter Gesundheit viele Reisen.

Dass ihre Tochter Irène gemeinsam mit ihrem Mann Frédéric Joliot-Curie 1935 ebenfalls den Chemienobelpreis erhielt, erlebte Marie Curie nicht mehr: Sie starb am 4. Juli 1934 im Alter von 66 Jahren, wohl an den Folgen ihrer Arbeit mit radioaktiven Elementen. Die immer offensichtlichere Gefahr hatte sie bis zuletzt ignoriert, ganz nach ihrem Motto: "Im Leben muss man vor nichts Angst haben. Man muss es nur begreifen." (David Rennert, 7.11.2017)