Diesmal ist es Barack Obama, der Ex-Präsident, der ebenso beharrlich wie vergebens für schärfere Waffengesetze kämpfte, der die Dinge beim Namen nennt. Er trauere mit den Familien in Sutherland Springs, denen dieser Akt des Hasses Leid zugefügt habe, twitterte er. Und kurz darauf: "Möge Gott uns allen die Weisheit schenken zu fragen, welche konkreten Schritte wir setzen können, um die Gewalt und das Waffenarsenal in unserer Mitte zu reduzieren."

Tweets von Barack Obama.

Keine Debatte über Waffenrecht

Für Präsident Donald Trump gibt es nach dem Massaker mit 26 Toten keine Veranlassung, über eine Änderung des Waffenrechts nachzudenken. Trump sagte am Dienstag in Seoul, wäre der Schütze am Sonntag nicht von einem anderen Bewaffneten aufgehalten worden, wäre es noch viel schlimmer gekommen. Trump ist damit exakt auf der Argumentationslinie der mächtigen US-Waffenlobby.

Trump sieht sich als Waffenbefürworter bestätigt.
ORF

Nach dem Massaker in der texanischen Kirche stehen die Amerikaner erneut unter Schock. Nur fünf Wochen nach dem Blutbad von Las Vegas, wo der ehemalige Buchhalter Stephen Paddock 58 Konzertbesucher erschoss. Nicht einmal eine Woche nach dem Anschlag in New York, wo der aus Usbekistan stammende Sayfullo Saipov mit einem Pick-up auf einem Radweg Menschen über den Haufen fuhr. Leroy Moore, Betreiber eines Campingplatzes in Sutherland Springs, ein Augenzeuge der Tat, bringt auf den Punkt, was viele ähnlich empfinden. "Ist denn die ganze Welt aus den Fugen geraten?", fragt er in einem TV-Interview. Könne man nicht mal mehr sonntags in die Kirche gehen, ohne erschossen zu werden? Könne man sich nicht mal mehr auf ein Fahrrad setzen, ohne niedergemäht zu werden?

Sutherland Springs, das verstärkt den Schock noch, ist ein Dorf mit höchstens 700 Bewohnern. Einst wegen seiner Heilquellen bei Rheumakranken beliebt, nach schweren Überschwemmungen vor 104 Jahren in die Bedeutungslosigkeit gefallen. Die meisten, die hier leben, pendeln zur Arbeit nach San Antonio, in die nächste größere Stadt. Sonntags versammelt sich der halbe Ort in der First Baptist Church.

26 Tote bei Andacht

Dort begann Devin Patrick Kelley, in Schwarz gekleidet, mit kugelsicherer Weste, bewaffnet mit einem Sturmgewehr, am Sonntagvormittag nach elf um sich zu schießen. Erst vor dem Gotteshaus, dann in der Kirche. 26 Menschen tötete er; die Zahl kann noch steigen, da unter den Verletzten einige offenbar in Lebensgefahr schweben. Tot ist die 14 Jahre alte Annabelle Pomeroy, die Tochter des Pfarrers Frank Pomeroy und seiner Frau Sherri, die beide am Sonntag auf Reisen waren. Tot sind acht Kinder, Enkel und Urenkel von Joe und Claryce Holcombe. Wie Joe Holcombe der Washington Post sagte, kamen sowohl sein Sohn Bryan (60) als auch dessen Ehefrau Carla (58) ums Leben. Sowohl seine schwangere Enkeltochter Crystal als auch drei ihrer Kinder, Emily, Megan und Greg. Crystals Mann John überlebte, zusammen mit zwei weiteren Kindern des Paars. Außerdem starb ein Enkelsohn namens Marc Daniel, und mit ihm, so Joe Holcombe, dessen einjährige Tochter.

Bild nicht mehr verfügbar.

Die Spurensicherung untersucht den Tatort vor und in der Baptistenkirche in Sutherland Springs.
Foto: Nick Wagner/Austin American-Statesman via AP

Tot ist auch der Täter. Als er zu fliehen versuchte, wurde er Augenzeugen zufolge von einer Kugel aus dem Gewehr eines Passanten getroffen. Kelley ließ seine Waffe fallen, sprang in sein Auto und raste davon. So schildert es Johnnie Langendorff, ein junger Mann mit Cowboyhut und Kinnbart, den die USA als den Helden von Sutherland Springs feiern.

"Ich habe einfach gehandelt"

Langendorff war in seinem Truck in der Nähe der Kirche unterwegs, als er sah, wie zwei Männer aufeinander feuerten. Einer der beiden suchte in seinem Geländewagen das Weite, der andere stürzte auf ihn zu und bat ihn, die Verfolgungsjagd aufzunehmen. "Und das ist es, was ich getan habe. Ich habe einfach gehandelt", sagte Langendorff einer lokalen Fernsehstation. Nach ein paar Minuten hätten sie den Fliehenden eingeholt, der habe dann die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren. Sein Beifahrer, so Langendorff, sei mit Waffe im Anschlag hingerannt. Doch da habe sich der Mann schon nicht mehr bewegt. Im Moment gehe man davon aus, dass er Suizid beging, erklärte der zuständige Sheriff.

Bild nicht mehr verfügbar.

Die Menschen gedachten in Sutherland Springs der Toten.
Foto: REUTERS/Mohammad Khursheed

Luftwaffe prüft

Kelley, ein weißer Texaner, lebte in New Braunfels, einer Kleinstadt in der Nähe von San Antonio. 2010 ging er nach der High School zur Luftwaffe, die ihn vier Jahre später in Unehren entließ. Stationiert auf einem Stützpunkt der Air Force im Bundesstaat New Mexico, wurde er 2012 vor ein Militärgericht gestellt, nachdem er seine Frau und sein Kind attackiert hatte, und zu zwölf Monaten Haft verurteilt. Nachdem seine erste Ehe in die Brüche gegangen war, heiratete er ein zweites Mal, schreibt die Zeitung San Antonio Express-News. Mit seiner neuen Frau und einem Sohn soll er zuletzt bei seinen Eltern gewohnt haben. Kelleys frühere Schwiegereltern, deutet Sheriff Tackitt ein mögliches Tatmotiv an, sollen einmal regelmäßige Besucher der Baptistenkirche in Sutherland Springs gewesen sein.

Die US-Luftwaffe prüft nun mögliche Versäumnisse bei der Weitergabe von Informationen über den Täter: Die Verurteilung Kelleys wegen häuslicher Gewalt ist laut ersten Informationen nicht in die zentrale Datenbank zur Überprüfung von Schusswaffenkäufern eingetragen worden, teilte eine Sprecherin der Luftwaffe am Montag mit. Von Militärgerichten verhängte Strafen müssen eigentlich in der Datenbank erfasst werden. Das Militär leitete eine Untersuchung ein. (Frank Herrmann aus Washington, APA, AFP, 6.11.2017)