Carles Puigdemont im Büro des Staatsanwalts in Brüssel am Sonntagabend: stundenlange Verhandlungen.

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Der von der spanischen Zentralregierung verfassungsgemäß abgesetzte Regionalpräsident Kataloniens, Carles Puigdemont, kann seinen politischen Kampf um die Abspaltung der autonomen Region von Spanien in Belgien weiterhin öffentlich und von den Behörden unbehelligt fortsetzen.

Das ergab sich in der Nacht auf Montag aus einer Entscheidung des zuständigen belgischen Untersuchungsrichters. Dieser entschied über den Vollzug des von Madrid ausgestellten europäischen Haftbefehls, in dem Puigdemont Rebellion, Veruntreuung öffentlicher Gelder und Aufruhr vorgeworfen wird. Im Falle einer Verurteilung drohen den Separatisten bis zu dreißig Jahre Haft.

Puigdemont hatte sich tagsüber mit vier seiner Exminister und seinem Anwalt selbst zu Gericht begeben, um eine Klarstellung zu erreichen. Nach einer Anhörung entschied sich das Gericht auf Antrag des Staatsanwalts, keine U-Haft zu verhängen, auch keine Kaution zu verlangen. Puigdemont und seine Mitstreiter müssen eine feste Wohnadresse vorweisen und der Behörde bei Bedarf jederzeit zur Verfügung stehen. Sie können sich aber sonst frei im Land bewegen, das sie aber auch nicht verlassen dürfen. Für Dienstag ist eine Demonstration der Solidarität von bis zu 200 katalanischen Bürgermeistern angesagt, an der Puigdemont teilnehmen wird können.

Neben diesen guten Nachrichten bedeutet das für die Separatisten aber auch, dass die belgische Justiz das Auslieferungsbegehren aus Spanien akzeptieren und den EU-Regeln gemäß umsetzen wird. Bis 17. November will es den Antrag prüfen und erstentscheiden, ob es Gründe gibt, die für eine Nichtauslieferung sprechen, oder ob die in Spanien Angeklagten in ihre Heimat abgeschoben werden. Spätestens dann werden Puigdemont und seine Exminister bei Gericht erscheinen müssen.

Sorge um Fairness

Theoretisch kann dieses Prüfverfahren auf bis zu 60 Tage ausgeweitet werden, in Ausnahmefällen sogar auf drei Monate. Man kann davon ausgehen, dass der Anwalt Puigdemonts alle juristischen Mittel ausschöpfen wird.

Der Exregionalpräsident argumentiert damit, dass er in seinem Heimatland kein faires Verfahren erwarten könne. Die von der spanischen Regierung angeordneten Neuwahlen in Katalonien sollen am 21. Dezember stattfinden. Es ist also gut möglich, dass Puigdemont die Zeit bis dahin in Belgien in Freiheit verbringen und in den Wahlkampf von der EU-Hauptstadt aus eingreifen kann. Er richtete am Montag erneut schwere Vorwürfe gegen die Regierung, insbesondere aufgrund der Inhaftierung von acht seiner Kollegen, darunter seinen früheren Stellvertreter Oriol Junqueras, durch die spanischen Behörden. Die U-Haft und der Zugriff auf deren Vermögen sei "weit entfernt von demokratischer Praxis", schrieb er auf Twitter.

Den Ausgang nahm der Konflikt mit der von Puigdemont für 1. Oktober angesetzten Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Kataloniens, die unter dem Bruch der spanischen Verfassung stattfand. Nach der Unabhängigkeitserklärung vor zehn Tagen wurde er abgesetzt. (Thomas Mayer aus Brüssel, 6.11.2017)