Ein kurzer Kälteeinbruch im November wird im Südtiroler Skigebiet Carezza zum Kunstschneemachen genutzt.

Foto: Carezza Ski / Alex Filz

Naturschnee wird in die Berechnungen gar nicht mehr miteinbezogen.

Foto: Carezza Ski

Ein gutes Dutzend österreichischer Skigebiete erklärt die Saison jedes Jahr im November für eröffnet. Weil es dort so viel früher schneit als etwa im Südtiroler Eggental? Fehlanzeige! "Ohne Kunstschnee wäre kein Skigebiet mehr in Betrieb", sagt Georg Eisath, der Chef von Carezza Ski, einem relativ kleinen Gebiet mit 15 Liften und 41 Pistenkilometern rund 30 Kilometer südöstlich von Bozen.

Eisath hat ein ausgeklügeltes System zur Pistenbeschneiung entwickelt und es ganz nebenbei geschafft, den Energieverbrauch dafür um 20 Prozent zu senken. Klar ist, dass Skifahren kein klimafreundlicher Sport mehr wird: Zu hoch sind Landverbrauch, Wasser-und Energiebedarf für Kunstschnee und Lifte. Bei einer Rundfahrt durch das Gebiet, das jedes Jahr Anfang Dezember eröffnet, demonstriert Eisath, was man dennoch tun kann.

80 Stunden Kältefenster

"König Laurin" ist ein alter Zweiersessellift, der gerade stillsteht. Erst als Eisath eine Schranke passiert, springt er an. In der Nebensaison wird die Anlage als Standby-Lift betrieben – zumindest vormittags, weil er dann im Schatten liegt und keiner damit fährt. "Warum sollten wir den dann laufen lassen?", fragt Eisath.

Als er sich mit den Klimadaten seiner Heimat befasste, fiel ihm auf, dass jedes Jahr im November eine längere Periode mit Temperaturen deutlich unter null zu verzeichnen ist: "Das Kältefenster hält um die 80 Stunden am Stück." Also entschied er sich, in dieser Zeit das Skigebiet komplett zu beschneien. Es macht laut Eisath nämlich einen großen Unterschied, ob man bei minus drei oder minus acht Grad beginnt. Eine Kanone hat stets denselben Energiebedarf, bei den tieferen Temperaturen ist der Wasserdurchsatz und damit die produzierte Schneemenge aber doppelt so hoch.

Ein Kubikmeter koste unter diesen Voraussetzungen einen statt zwei Euro. Das bringt mehrere hunderttausend Euro Ersparnis pro Saison. Er hat auch exakt ermittelt, wie hoch die Schneemenge pro Quadratmeter sein muss, damit er über den Winter kommt. 30 Zentimeter muss er im November hinlegen, dieselbe Menge nochmals in der zweiten Saisonhälfte. "Naturschnee beziehe ich in meine Berechnungen gar nicht mehr ein." Er sieht das, was vom Himmel kommt, nur noch als Tropfen auf den heißen Stein.

Spritsparbewerb

Auch die Fahrer der Pistenraupen machen beim Energiesparen mit, sie bekamen eine Spritsparschulung. Eisath checkte ihre Routen und änderte die Pläne, damit es keine unnötigen Wege mehr gibt. Die Pisten haben keine Ausbuchtungen mehr, damit die Bullys weniger Weg zurücklegen müssen. "In die Bäuche schwingt sowieso kein Skifahrer rein. 95 Prozent fahren in der Mitte", meint Eisath. Die Pistenbully-Fahrer können jetzt jeden Tag eine Stunde früher Feierabend machen, zudem fiel der Dieselverbrauch um bis zu 25 Prozent. "Es gibt einen richtigen Wettstreit unter den Mitarbeitern, wer am sparsamsten fährt."

Carezza wirbt mit dem Prädikat "sonnigstes Skigebiet Südtirols" – doch Georg Eisath bereitet das keine Bauchschmerzen. Kunstschnee habe eine viel höhere Dichte als natürlicher. Bis zum Saisonende im April fresse die Sonne nichts weg. "Der Schnee verschwindet nicht, er wird nur von den Skifahrern verschoben." Punktuelle Nachbeschneiungen versucht er zu vermeiden, weil die Wasserpumpen auch für eine einzelne Schneekanone auf vollen Touren laufen müssten, und das ist extrem teuer. Also hat Eisath seine Pistenbullys mit Radar ausgestattet, um die Schneetiefen zu messen. "Wir holen dort Schnee, wo mehr liegt, und füllen an anderer Stelle die Löcher auf."

Eisath sagt klar, dass er all die Maßnahmen nicht allein aus Liebe zur Natur umsetzt. "Ich muss aus wirtschaftlichen Gründen prüfen, wo ich einsparen kann." Soll doch die Ökonomie der Ökologie ruhig ein wenig helfen. (Christian Schreiber, X.11.2017)