Sanaa – Saudi-Arabien hat im Konflikt mit seinem Erzrivalen Iran den Ton verschärft und dem schiitischen Nachbarn eine "direkte militärische Aggression" gegen das Königreich vorgeworfen. Das "iranische Regime" beliefere die Houthi-Rebellen im Jemen mit Raketen, sagte Kronprinz Mohammed bin Salman in einem Telefongespräch mit dem britischen Außenminister Boris Johnson.

"Das könnte einem Kriegsakt gegen das Königreich gleichkommen", sagte er, wie die saudische Nachrichtenagentur SPA am Dienstag meldete.

Rakete abgefangen

Die saudische Luftwaffe hatte am Wochenende nach eigenen Angaben eine Rakete nahe der Hauptstadt Riad abgefangen. Das Geschoß soll demnach aus dem benachbarten Bürgerkriegsland Jemen abgefeuert worden sein. Die Houthi-Rebellen, die weite Teile im Norden des Jemens kontrollieren, bestätigten den Abschuss einer ballistischen Rakete auf den internationalen Flughafen Riads.

Der Iran wies die Vorwürfe Mohammeds als "absurde Behauptungen" zurück. "Diese Unterstellungen sind falsch, destruktiv, unverantwortlich und vor allem provokativ", sagte Außenamtssprecher Bahram Ghassemi nach Angaben iranischer Medien. Irans Außenminister Mohammed Javad Zarif erklärte, die Saudis führten sich in der Region "wie Halbstarke" auf, machten die Region unsicher und versuchten, den Iran für diese gefährliche Politik verantwortlich zu machen.

Kriegsverbrechen

Menschenrechtlern verurteilten den Raketenabschuss als Kriegsverbrechen. "Der wahllose Abschuss einer ballistischen Rakete auf einen überwiegend zivil genutzten Flughafen ist offensichtlich ein Kriegsverbrechen", erklärte die Direktorin der in New York ansässigen Organisation Human Rights Watch, Sarah Leah Whitson, am Dienstag. "Aber dieser illegale Angriff rechtfertigt nicht, dass Saudi-Arabien die humanitäre Katastrophe im Jemen verschlimmert, indem sie den Zugang und die Hilfe für das Land behindert."

Das sunnitische Saudi-Arabien hält dem schiitischen Iran immer wieder vor, die Houthis zu unterstützen und in der Region Unruhe schüren zu wollen. Die beiden Regionalmächte konkurrieren um die Vormachtstellung im Nahen Osten. Der Iran übt über Milizen im Libanon, in Syrien und im Irak starken Einfluss aus. Saudi-Arabien wiederum wird beschuldigt, bewaffnete sunnitische Gruppen zu unterstützen. Im Jemen fliegt eine von Saudi-Arabien angeführte Koalition regelmäßig Luftangriffe gegen die Houthis.

Verschärfung

Unter dem einflussreichen Kronprinzen Mohammed, der zugleich Verteidigungsminister ist, hat das ultrakonservative Königreich seine Politik gegenüber dem Iran massiv verschärft. Dazu gehört auch die Blockade Katars. Saudi-Arabien und andere arabische Staaten werfen dem Emirat unter anderem zu enge Beziehungen zum Iran vor.

Riads Arm reicht auch bis in den Libanon. Der libanesische Ministerpräsident Saad Hariri hatte am Wochenende von Saudi-Arabien aus seinen Rücktritt erklärt. Danach kamen Gerüchte auf, Hariri stehe in dem Königreich unter Hausarrest. Am Dienstag verließ der 47-Jährige jedoch Saudi-Arabien und reiste zu Gesprächen in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), wie sein Büro mitteilte.

Der sunnitische Politiker pflegt enge Beziehungen zu Riad. Er besitzt neben der libanesischen auch die saudische Staatsbürgerschaft. Bei seiner Rücktrittserklärung hatte Hariri ganz im Sinne Saudi-Arabiens der im Libanon einflussreichen Schiitenmiliz Hisbollah sowie deren Schutzmacht Iran vorgeworfen, in der Region Unruhe zu schüren.

Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah wiederum machte für Hariris Rücktritt einen Machtkampf in Saudi-Arabien verantwortlich. In dem Königreich waren am Wochenende zahlreiche Politiker und andere führende Persönlichkeiten unter Korruptionsvorwürfen festgenommen worden. Beobachter sehen darin den Versuch des 32 Jahre alten Kronprinzen Mohammed bin Salman, seine Macht abzusichern.

US-Präsident Donald Trump begrüßte die Festnahmen in Saudi-Arabien. "Ich habe großes Vertrauen in König Salman und den Kronprinzen Saudi-Arabiens, sie wissen genau, was sie tun...", schrieb Trump während seiner Asienreise auf Twitter. (APA, 7.11.2017)