Es ist schon so etwas wie eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet "Mad-Men"-Erfinder Matthew Weiner unter Verdacht geraten ist, Kolleginnen sexuell belästigt zu haben. Die Drehbuchautorin Kater Gordon wirft ihm vor, Weiner habe während einer Late-Night-Session anzügliche Andeutungen gemacht in der Art, dass sie ihm etwas schulde. Der Vorwurf steht im Raum, Weiner bestreitet den Vorfall bzw. behauptet, sich nicht erinnern zu können. Ich will es so sagen: Wenn es sich so verhält, müsste ich mich von Gott lossagen. Denn ein solcher war Matthew Weiner für mich bisher. Er hat in den sieben Staffeln von "Mad Men" zwischen 2007 und 2015 alles richtig gemacht. Meine Liebe zu Don Draper, Peggy Olson, Billy Campbell, Joan Holloway und dem Rest der coolen Gang war und ist grenzenlos. Umgekehrt zeigt die Diskussion, dass es so schwierig ist, von außen die Trennlinie zu ziehen, wo ein Kavaliersdelikt anfängt und der Spaß aufhört. Eben erschien Weiners erster Roman auf Deutsch, "Alles außer Heather". Mit dem Thema "Sexual Harrassment" war der Serienerfinder aber schon zuvor konfrontiert: Nach dem Skandal um Harvey Weinstein stampfte Amazon dessen Serienprojekt "The Romanoffs" ein, das Matthew Weiner entwickeln hätte sollen. Man wird in Zukunft womöglich vieles ganz anders sehen.

Aber nun zur Kernaufgabe, meine Fernsehfavoriten der nächsten Tage. Zuvor noch der obligatorische SPOILER-ALARM: Wer nichts über Inhalte von "Mudbound", "Inas Nacht", "Black Sabbath – The End" und "Godless" wissen will, sollte sich im Folgenden auf Fettgedrucktes beschränken. Alle anderen heiße ich herzlich willkommen zu einer Woche, die schlammig beginnt und mit einer Serie endet und die meiner Meinung nach das Zeug hat, am Ende des Jahres zu den besten gezählt zu werden. Aber der Reihe nach:

"Mudbound", Freitag, 17. November, Netflix

Archaische Konflikte scheinen in Südstaaten-Dramen offenbar eine Art Stammplatz zu haben. Hier werden sie gleich an mehreren Stellen ausgetragen. Zwischen Henry McAllen, seiner Frau und seinem Bruder James, zwischen den Mitgliedern der schwarzen Jackson-Familie, und irgendwie ringen alle mit ihrem Dasein, der Natur und dem Schlamm, durch den hier Anfang der 1940er-Jahre mehrfach knietief gewatet werden muss. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Roman von Hillary Jordan aus dem Jahr 2009. Die Drehbuchadaption des Romans schrieb die Regisseurin Dee Rees gemeinsam mit Virgil Williams. Mit Garrett Hedlund, Jason Mitchell, Carey Mulligan, Rob Morgan, Mary J. Blige.

Netflix

"Inas Nacht" – Samstag, 18. November um 23.40 Uhr, ARD

Heinz Strunk ist zu Gast bei Ina Müller, das ist dann so eine Art Gipfeltreffen der intelligenten Dreckschleudern. Situierter wird sich TV-Talkerin Sandra Maischberger geben, die erst neulich in ihrer TV-Sendung etwas geschafft hat, wovon hier nur geträumt werden kann: Zivilisiert über das Thema sexuelle Belästigung zu reden. Es gab keine Schreiduelle, weil die Schreier erst gar nicht eingeladen waren, sondern ausschließlich Menschen, die etwas zu sagen hatten, zum Beispiel die Journalistin Teresa Bücker: "Sexismus vergiftet die Gesellschaft." Ich habe wieder einmal im Zitatebuch geblättert: "Nicht Sieg sollte der Sinn der Diskussion sein, sondern Gewinn", sagte Joseph Joubert, französischer Philosoph und passionierter Kalendersprücheklopfer.

Foto: NDR/Morris Mac Matzen

"Black Sabbath – The End", Sonntag, 19. November um 0.50 Uhr, WDR

Anno 2002 waren "The Osbournes" eine Art Erweckungserlebnis im faden Fernseheintopf. Der durch den übermäßigen Konsum bewusstseinserweiternder Drogen deutlich entschleunigte Fürst der Finsternis wurde im Handumdrehen Metaller der Herzen, die Dysfunktionen im Zusammenleben mit Göttergattin Sharon und den Kinderfreaks Jack und Kelly war Anfang und einsamer Höhepunkt von gefühlten zigtausend folgenden Promisoaps, im weitesten Sinne darf man auch "Die Lugners" dazuzählen.

Am 4. Februar 2017 war es dann so weit. Ozzy Osbourne, Tony Iommi und Geezer Butler betreten zum letzten Mal als Black Sabbath die Bühne in Birmingham. Wer nicht dabei war und den Konzertfilm noch nicht gesehen hat, vorweg: Es ist wie damals bei den "Osbournes" – ein bisschen gruselig.

Foto: WDR/Ross Halphin

"Godless" – Mittwoch, 22. November, Netflix

Die Anfangsszene könnte aus "The Walking Dead" vor 140 Jahren stammen. Überall Filmtote, die so aussehen, als würden sie jeden Moment aufstehen und schlurfend, röchelnd ihrem Tagwerk nachzugehen. Allein die Toten in "Godless" sind und bleiben tot, sie sind die Überbleibsel eines Massakers, das sich ereignet hat und das gerächt werden muss. It's Western Time, folks! Oberbösewicht ist Jeff Daniels, er jagt Jack O'Connell, die beiden waren irgendwann einmal Gefährten. Im Zuge dessen bekommen sie es mit einer ziemlich fixen Damenschaft zu tun, die in der Stadt mit dem vielversprechenden Namen La Belle unter sich sind und es auch bleiben möchten, #MeToo wird jedenfalls.

Ich bin nach Ansicht von zwei Folgen geneigt, "Godless" in meinen Olymp der besten Serien des Jahres 2017 zu hieven. Schon allein beim Trailer muss das Herz all jener hüpfen, die sich dem Genre verbunden fühlen und sehen wollen, wie hier aus dem Western-Genre eine starke feministische Note hinzugefügt wird. Da pfeifen die Komantschinnen!

Nach "Deadwood" und "Hell On Wheels" steigt nun also auch Netflix in das US-amerikanische Urgenre ein – und das Beste: Michelle Dockery spielt mit! Die Eisgräfin aus "Downton Abbey" spielt ja zeitgleich in "Good Behavior" eine akkurate Rolle. Hier ist sie zart wie einst Deborah Kerr und forsch wie Jane Fonda: "Declare yourself or I shoot", sind ihre ersten Worte, worauf sie Taten folgen lässt, und das ist ja wirklich eine tolle Vorstellung.

Anfangs wirkt "Godless" mehr wie Hackschnitzelei im Westernkostüm aus "The Knick", aber wen das nicht stört, wird sich schnell hineinfinden. Wenn etwa der Armamputierte nach erfolgter narkosefreier OP sich beim Doktor bedankt und sagt, "ich hoffe, ich kann einmal dasselbe für dich tun", so sind das kleine Garstigkeiten, die auf rüde Umgangsformen deuten. Jeff Daniels als grindiger Racheengel und ein Wiedersehen mit Merritt Wever, einstens einzigartigste Zoe aus "Nurse Jackie". Dreckige Boots, Pferde, Prärie, Ringen mit dem großen Ganzen, Stadt der Frauen, wer lacht, ist tot – ja, das gefällt mir.

Netflix

Was noch?

"Marvels The Punisher" – Freitag, 17. November, Netflix
Ich weiß, die Nachfrage ist groß, aber mich ermüden die Geschichten um die Superhelden, die sich mit Superbösewichten matchen. Kollege sefe hat es sich angetan und war aber auch nicht gerade begeistert.

"Hooten & the Lady" – Freitag, 17. November um 21.45 Uhr auf ZDF neo
Museumskuratorin plus Schatzsucher ergibt: ungleiches Team und jede Menge heikler Situationen. Die britische Serie mit Michael Landes und Ophelia Lovibond hat ihren Indiana Jones gelernt.

"Bordell Deutschland", Samstag 18. November, 22 Uhr, ZDF
Deutschland hat eines der liberalsten Prostitutionsgesetze Europas. Das lockt Sextouristen aus aller Welt. Das Geschäft boomt, von Flatrate- über Edel- bis hin zu sogenannten Gangbang-Bordellen ist alles zu haben. Das hat dramatische Nebeneffekte: Dadurch ist Deutschland zur Drehscheibe für Zwangsprostitution und Menschenhandel geworden.

"Das System Milch" – Dienstag, 21. November, Arte
Grasende Kühe, Glockengebimmel – damit hat die Milchproduktion heute nichts mehr zu tun. Allein in Europa geht es um 200 Millionen Tonnen Milch und Milchpulver im Jahr, die von multinationalen Großkonzernen verkauft werden. Grimme-Preisträger Andreas Pichler deckt eine Maschinerie auf, die wie so viele über Systemfehler verfügt.

"Brüder" – Mittwoch, 22. November ab, 20.15 Uhr, ARD
Der Zweiteiler von Züli Aladag erzählt von dem deutschen Studenten Jan (Edin Hasanovic), der sich einer Gruppe von Salafisten um den Prediger Abadin Hasanovic (Tamer Yigit) anschließt und dort Gemeinschaft und Sinn findet. Als seine neuen "Brüder" in den syrischen Krieg ziehen, reist Jan mit. Geschrieben von Kirstin Derfler, sollte man im Auge behalten. Im Anschluss an die beiden Teile zeigt das Erste ab 23.45 Uhr die Dokumentation "Sebastian wird Salafist – Wie sich ein junger deutscher zum Islamisten entwickelt – und wieder zurück" von Ghafoor Zamani.

"She's Gotta Have It", Donnerstag, 23. November, Netflix
Thank God, it's Thanksgiving – und dieses Jahr wird es ein besonderes Fest, weil Spike Lees stilprägende New-Black-Comedy aus dem Jahr 1986 neu aufgelegt wird. Nola Darling hat es wieder mit drei Männern, Tracy Camilla Johns spielte die lebenslustige New Yorkerin damals, diesmal kommt DeWanda Wise zu Ehren.

Netflix

Trailer der Woche: Das Buch "Raufen und dabei Mittelalter-Gewand tragen" wird 2018 um ein Kapitel reicher. "Britannia" kommt, und wie es aussieht, wird dabei hinsichtlich des Publikum-Geschmacks nichts dem Zufall überlassen.

Toms TV Trailers

In diesem Sinne: Möge die Schlacht mit ihnen sein. Schöne Woche, Friede euch allen, frohes Schauen! (Prie-View, 16.11.2017)