Transportdienstleister sollen sich dank der Fraunhofer-Forschung besser auf die Herausforderungen des Physical Internet einstellen können.

Foto: Getty Images / iStock / chombosan

Wien – Die moderne Welt dreht sich immer schneller – davon bleibt auch die Logistikbranche nicht unberührt. Industrie 4.0, Sharing Economy und Physical Internet sind Trends, die in Zukunft auch die Transportwirtschaft massiv bestimmen werden. Auf einem Markt, der derartig in Bewegung ist, lässt sich für die jeweiligen Akteure die Geschäftsentwicklung aber immer schwieriger voraussagen – bei den Spediteuren ist zunehmend Improvisationstalent gefragt.

Fraunhofer Austria will ihnen dabei unter die Arme greifen und erforscht derzeit, wie Transportketten effizienter gemanagt werden können. Ende September wurde dazu nach zwei Jahren ein erstes Projekt beendet – eine Folgestudie schließt daran jetzt unmittelbar an. Beide Untersuchungen werden vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie sowie der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft unterstützt.

"In einem so wechselhaften Marktumfeld besteht die Gefahr, dass man mit Unter- und Überkapazitäten relativ schnell in die Verlustzone abgleitet", konstatiert Projektleiter Georg Brunnthaller. "Das ist vor allem für kleine und mittlere Unternehmen ein Problem." Wenn die Firmen solche Entwicklungen voraussehen könnten, hätten sie daher schon eine Sorge weniger. In dem unlängst beendeten Projekt "IPPO" wurde deshalb versucht, dafür ein funktionierendes Analysesystem zu entwickeln.

In Zusammenarbeit mit dem oberösterreichischen Logistikdienstleister Hödlmayr International und dem Softwareunternehmen Risc aus Hagenberg versuchten Brunnthaller und sein Team, eine Prognoselogik zu erstellen, mit der man, vorausschauend auf die Marktentwicklung, Transporte präziser plant, um so effizienter wirtschaften zu können – ökonomisch wie ökologisch.

Brunnthaller: "Der Druck steigt im Transportgeschäft enorm. Neben ihren eigenen Gewinnerwartungen wird auch von öffentlicher Seite zunehmend verlangt, dass die Logistiker nachhaltig wirtschaften."

Lkw flexibler als Zug

Das sei aber nicht immer leicht miteinander in Einklang zu bringen: Angesichts unsicherer Auftragsvolumina setze die Branche lieber auf Lastwagen statt auf Züge, da man so mit dem Blick auf sich verändernde Kapazitäten flexibler bleibt. Die Folge sei aber, dass der Straßengüterverkehr und die Treibhausgasemissionen in Relation zum Wirtschaftswachstum überproportional gestiegen seien.

Um herauszufinden, an welchen Stellschrauben man drehen kann, wurden zu Beginn die vorhandenen Fakten überprüft und in einer Datenbank vereinheitlicht: So beobachtete man, ob Vorhersagen von Auftraggebern und Logistikdienstleistern sich in der Praxis auch tatsächlich als richtig erwiesen. Zusätzlich erstellten die Wissenschafter eigene Prognosen, in die weitere externe Parameter einbezogen wurden.

Kurzfristige Maßnahmen

Ausgehend davon wurde eine Fuhrparkplanung erstellt, die dann im laufenden Einsatz in verschiedenen Szenarien stets überprüft und angepasst wurde. "Wir haben versucht, das Fuhrparkmanagement monatlich einem Update zu unterziehen. Neue Informationen sind sofort in den Planungsalgorithmus eingeflossen, der so kontinuierlich aktualisiert wurde."

Auf diesen Erkenntnissen baut auch das neue Fraunhofer-Projekt "Pro Kapa" auf – neben den Logistikunternehmen Müller Transporte und Unit Cargo ist Risc auch hier wieder beteiligt.

Hatte man sich zuletzt mit eher langfristig ausgerichteten Managemententscheidungen beschäftigt, will man sich nun auf kurzfristige Maßnahmen konzentrieren: Hier geht es um Themen wie einen flexiblen Personaleinsatz, die punktuelle Zusammenarbeit mit Subunternehmen und eine dynamische Preisgestaltung. Da damit zu rechnen ist, dass sich dieser Markt zunehmend beschleunigt, werden sich die Logistiker etwa damit beschäftigen müssen, wie man dieselbe Leistung zu verschiedenen Preisen an einem einzigen Tag realisiert.

Auch vom Gedanken des fest gebundenen Stammkunden muss man sich wohl verabschieden. Im Speditionswesen ist es nämlich laut Brunnthaller denkbar, dass Dienstleistungen ebenfalls zunehmend über Plattformen à la Uber und Airbnb vermarktet werden.

Risiko verteilen

Insgesamt werde es vor allem darauf ankommen, den Auftraggebern einen Schritt voraus zu sein. Der Forscher hat folgende Vision: "Das Ziel ist es, Leistungen zur Verfügung zu stellen, bevor der Kunde überhaupt weiß, dass er etwas transportieren will."

Aber die dafür notwendigen Informationen zu bekommen sei immer noch eine große Herausforderung. Dabei seien auch die Kunden gefragt, möglichst viele Daten zur Verfügung zu stellen, um die Transportkette effizienter zu gestalten. Dazu sei aber nicht jeder bereit. Auch die Verteilung des Risikos ist eine wichtige strategische Frage, die es noch zu klären gilt: Wer trägt etwa die Verantwortung, wenn sich das Management an zur Verfügung gestellten Planzahlen orientiert, die aber plötzlich so nicht eintreten? "Kunden und Dienstleister müssen sich als ebenbürtige Partner anerkennen, damit der Datenaustausch intensiviert und erleichtert wird", sagt Brunnthaller.

Auf technischer Seite brauche es grundsätzlich Systeme, die mit großen unstrukturierten Datenmengen umgehen können – daran werde derzeit gearbeitet. Jedoch sei dann auch das entsprechende Personal nötig, um so eine Technologie zum Leben zu erwecken, und daran mangle es derzeit noch: "Wissensträger aus dem mathematischen Bereich scheuen sich bislang, in die Logistik zu gehen. Da müssen Berührungsängste abgebaut werden." (Johannes Lau, 11.11.2017)