Seine Handschrift ist bereits erkennbar: Mike Pence formt Amerika wesentlich deutlicher um, als es Vizepräsidenten gemeinhin tun.

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Die Spendenkasse ist auch gut gefüllt – viele sind von einer eigenen Kandidatur 2020 überzeugt.

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Washington/Wien – Ein Jahr ist nun vergangen, seitdem Donald Trump das Rennen um die US-Präsidentschaft gewonnen hat. Und mindestens genauso lange spielt ein Mann eine tragende Rolle in den Ausstiegsszenarien seiner Gegner: Vize Mike Pence. Verlässt Trump das Weiße Haus, folgt ihm sein Stellvertreter ins Oval Office nach. Doch wenn Trumps Kritiker auf seinen verfrühten Rücktritt hoffen, dann dürfte sie die Aussicht darauf, was anschließend folgen würde, auch nicht eben besänftigen. Mike Pence, Trumps einziger Mitarbeiter, den dieser nicht feuern kann, ist bisher mit einer Art Freifahrschein davongekommen: Wen das erratische Verhalten der Nummer eins verstört, den tröstet womöglich der Kontrast, den das kontrollierte Vorgehen der Nummer zwei liefert. Doch jene, die den Atomkoffer gern aus der Reichweite des Präsidenten entfernen wollen, schieben beiseite, was sein Stellvertreter für die USA bedeuten würde.

Der Vize droht vornehmer

Mike Pence ist ein Hardliner vom rechten Rand der Republikaner, der seine ultrakonservative Politik in weniger wuchtige Worte verpackt. Er spricht nicht vom "Rocket Man", wenn er Kim Jong-un meint. Statt mit "Feuer und Wut" droht er vornehmer, aber inhaltlich gleich hart mit "einer überwältigenden und effektiven Antwort" auf einen nordkoreanischen Angriff. Und so geht er auch in anderen Bereichen vor.

Denn während sich der ideologisch flexible Donald Trump am Bombast berauscht, ist Pence mit einer Mission angetreten: Anders als sein Chef hat er die Erfahrung und das Netzwerk, um sie auch durchzusetzen. Als der Quereinsteiger Trump erstmals nach Washington übersiedelte, hatte Pence bereits zwölf Jahre im Repräsentantenhaus und vier Jahre als Gouverneur von Indiana hinter sich. Er kennt die Mainstreampolitiker seiner Partei, ihm vertrauen beide: sein Chef, aber auch die Republikaner, weil er seit Jahren eng mit ihnen verwoben ist. Nicht von ungefähr haben seine Kollegen ihn und nicht einen anderen Gefolgsmann Trumps als Verbindungsglied zwischen dem Weißen Haus und dem Kongress installiert.

Pence-Personal

Heute gilt der ehemalige Radio- und Fernsehmoderator als versierter Redner, seine Rhetorik geschliffener als früher. Dabei klang Mike Pence schon Ende der 1980er wie Donald Trump heute. Sollte Pence das Amt übernehmen, würde er gewiss nicht auf Twitter seine Arbeit loben oder sich hitzige Beleidigungsduelle mit jenen liefern, die ihn kritisieren. Seine Präsidentschaft würde unauffälliger über die Bühne gehen – aber sie könnte das Land viel tiefgreifender prägen als jene von Trump. Das ist auch daran zu ersehen, dass es Pence selbst auch aus seiner Position heraus immer wieder gelingt, einen Teil seiner Agenda umzusetzen.

So sehr Trump auch seinen Vorgänger Barack Obama persönlich verachtet: Das Vorhaben, viele seiner Errungenschaften wieder auszuradieren, geht vor allem auf Pence zurück. Ihm kommt dabei auch zugute, dass sein Vorgesetzter wenig Interesse an gesetzgeberischen Abläufen hat. Trumps Präsidentschaft trägt bereits deutlich Pences Handschrift.

Nicht zuletzt zeigt sich das, wenn Trump wegen seiner mangelnden Erfahrung und parteiinternen Isolation nicht mehr weiterweiß. So erklären sich auch viele Personalentscheidungen: Trump kannte offenkundig kaum qualifiziertes Personal für die Ressorts Bildung und Umwelt. Pence kannte Betsy DeVos und Scott Pruitt. Beide sind nun gewichtige Stimmen, wenn es darum geht, das öffentliche Schulsystem zusammenzustutzen und die Umweltschutzmaßnahmen der Regierung Obama auszuhebeln.

Über sich selbst sagt der 58-Jährige, er sei "Christ, Konservativer und Republikaner. In dieser Reihenfolge." Und wer sich seine politische Bilanz ansieht, der merkt schnell: Pence mag gemäßigter auftreten, inhaltlich aber vertritt er wesentlich reaktionärere Ansichten als Trump – nur dass er bedeutend zielstrebiger vorgeht. Im Laufe seiner Karriere setzte er sich für eine ganze Reihe von Gesetzen ein, die sich gegen die Rechte von Frauen, Homosexuellen und Armen richteten. Dabei ist es nicht nur die eigene Ideologie, die Pence antreibt, es sind auch die Spenden der schwerreichen Brüder Charles und David Koch.

Die Milliardäre nehmen enorm viel Geld in die Hand, um Kandidaten wie Pence zu unterstützen, also solche, die für einen klassischeren, wenn auch streng-konservativen, handelsfreundlicheren Kurs stehen, als ihn die zweiten Großspender der Republikaner finanzieren: Die Familie des Hedgefondsmanagers Robert Mercer steckt ihr Geld vorwiegend in Kampagnen, die sich gegen Globalisierung und Einwanderung stellen. Als der Tea-Party-Kandidat Ted Cruz in den republikanischen Vorwahlen ausgeschieden war, lenkte die Mercer-Familie den Geldfluss Richtung Trump. Die Mercers waren es auch, die etwa "Breitbart"-Chef Steve Bannon eine zentrale Position in Trumps Wahlkampagne verschafften.

Eigene Ambitionen

Pences Spendenkasse sei inzwischen ebenso gut gefüllt wie sein Terminkalender, scherzen republikanische Kollegen. Weshalb viele überzeugt sind, er laufe sich bereits für die Präsidentschaftswahl 2020 warm, was er selbst freilich bestreitet. Selbst wenn Trump seine Amtszeit zu Ende bringen sollte: Wer auf Pence hofft, hat durchaus Chancen, ihn auch zu bekommen. Vielleicht nicht statt, sondern nach Donald Trump. (Manuel Escher, Anna Giulia Fink, 8.11.2017)