Absurde Tischgesellschaft mit dichter Musik: "Musique de scene" von Jean Barraqué mit Theaterminiaturen von Jean Thibaudeau.

Armin Bardel

Wien – Der Mann lässt die Schultern hängen – kein Wunder allerdings: Seine Hände sind von einer Übergröße, die eher auf einen Riesen schließen ließe und weniger auf ein geknicktes melancholisches Wesen. Wie jedoch eine Dame und ein Herr (ihr Gatte) die Einsamkeit des traurigen Herrn durchbrechen, schrumpfen die zehn XL-Finger auf humane Größe. Um das Trio, dessen Stimmung und Verhalten absurde Wendungen nehmen, entfaltet sich dann aber eine klanglich ausladende, abstrakte harmonische Schönheit. Sie wechselt sich später mit schnittigen, harten Orchestereinwürfen ab.

Das seltsame Treiben Im besten Hotel der Stadt dauert kurz, ist nur ein Programmpunkt unter vielen: Er findet auch weit weg vom zentralen Wien-Modern-Ort Konzerthaus statt. Das ehemalige k. u. k Post- und Telegrafenamt ist allerdings ein schummrig-passender Ort, dessen zahlreiche Räume effektvoll labyrinthartig im Dienst dieser Reise stehen.

Die Produktion des Sirene-Operntheaters reanimiert und rekonstruiert Jean Barraqués (Serialist, Schüler von u. a. Olivier Messiaen) Musique de Scène (1958/1959), bei dem theatrale "Aphorismen" von Jean Thibaudeau mit Musik verbunden werden. Das Flair des Gesamtkunstwerklichen sollte einst auch durch Integration von Malern und -innen betont werden. Das Projekt erblickte jedoch nie das Licht der Kunstwelt. Für Wien Modern wurde es nun aus den Archiven geborgen und als künstlerischer Parkour inszeniert.

Der Test der Augen

Da hört man Barraqués Sonate für Violine solo (gespielt von Joanna Leandre), wandelt durch groteske Miniaturen wie Beim Sehtest, einem Doppel zwischen Ingrid Habermann und Benjamin Lew-Klon, das Regisseurin Helga Utz pointiert inszeniert. Zu durchstreifen sind aber auch gestaltete Räume, in denen der Boden sich auflöst und zu fliegen scheint. In dieser Erlebniswelt ist das Ensemble Sirene unter François-Pierre Descamps für den sorgfältig umgesetzten Klang verantwortlich; die Raumgestaltungen oblag von Studenten der Universität für angewandte Kunst Wien. In Summe ein ausgeklügeltes Labyrinth der Gesamtkunst. (Ljubisa Tosic, 8.11.2017)