Cambridge – Geübte Schafhirten haben keine Probleme damit, ihre Schützlinge voneinander zu unterscheiden. Und umgekehrt gilt offenbar das Gleiche, wie eine aktuelle Studie zeigt: Schafe erkennen menschliche Gesichter auf Fotos mit hoher Trefferquote wieder, berichten Forscher der britischen Universität Cambridge im Journal "Open Science" der Royal Society.

Das Experiment

Das Forscherteam nutzte für seine Versuche einen besonderen Trainingsstall: Acht erwachsene Schafe wurden einzeln in einen Raum gelotst, in dem ihnen jeweils zwei Fotos auf Computer-Bildschirmen präsentiert wurden. Wählten sie in der Trainingsphase durch Anstupsen das richtige aus, bekamen sie ein Leckerli. Wählten sie das andere Bild, ertönte ein Summton und es gab es nichts.

Auf diese Weise lernten die Tiere die Konterfeis von Schauspielerin Emma Watson, Ex-US-Präsident Barack Obama, Schauspieler Jake Gyllenhaal und BBC-TV-Moderatorin Fiona Bruce kennen. Zuerst geschah dies im Vergleich zu einem schwarzen Bildschirm, dann im Vergleich zu einem "kopfähnlichen Objekt – etwa einer Stalllaterne. Im Test selbst mussten sie die Promi-Gesichter dann schließlich aus zwei Porträts auswählen – das zweite zeigte jeweils ein fremdes, dem anderen ähnliches Gesicht.

Verblüffende Ergebnisse

In acht von zehn Fällen entschieden die Schafe bei der Frontalansicht richtig. In 66 Prozent der Testläufe erkannten sie Watson, Obama & Co sogar, wenn diese im zuvor unbekannten Halbprofil abgebildet waren. Außerdem wählten die Tiere, unter zwei Alternativen abwägend, erfolgreich spontan das Foto eines Betreuers aus, den sie zuvor nur live gesehen hatten.

Interessant dabei: Die für die Versuchsreihe herangezogenen Schafe gehören nicht einmal zu einer Rasse, die besonders eng mit Menschen zusammenlebt. Die Welsh Mountain-Schafe sind vielmehr in der Lage, ohne jede menschliche Unterstützung in rauer Umgebung alleine klar zu kommen.

Soziale Tiere

"Unsere Studie zeigt, dass Schafe fortgeschrittene Fähigkeiten zur Gesichtserkennung haben, vergleichbar mit denen von Menschen und Affen", sagt Studienleiterin Jennifer Morton. Schafe sind soziale Tiere, die andere Mitglieder ihrer Herde und vertraute Menschen problemlos wiedererkennen.

Bereits im Jahr 2001 hatte eine Studie auf die erstaunlichen Gesichtserkennungs-Fähigkeiten von Schafen hingewiesen. Das Team aus Cambridge baut den Ansatz nun aus – unter anderem, um an genmodifizierten Schafen die Auswirkungen der Huntington-Krankheit auf das Gehirn zu untersuchen. Diese neurodegenerative Erkrankung geht bei Menschen unter anderem mit dem Verlust der Fähigkeit einher, Gesichter wiederzuerkennen. (APA, red, 11. 11. 2017)