Charles Darwin – hier auf seiner letzten Fotografie 1881 kurz vor seinem Tod – liefert seit fast 160 Jahren Stoff für Diskussionen und Symposien.

Herbert Rose Barraud

Wien – Im katholischen Österreich hatte es Charles Darwin nie ganz einfach. Das wusste man zu dessen Lebzeiten sogar im Ausland: In einer frühen Besprechung von "Über die Entstehung der Arten" (1859) beglückwünschte der anonyme Rezensent (womöglich Charles Dickens) den englischen Naturforscher, dass er weder im intoleranten 16. Jahrhundert noch in Österreich leben müsse.

Dabei kam hier nur wenig später mit der kurzen Phase des Liberalismus ein Klima auf, das der Evolutionstheorie gegenüber aufgeschlossen war: So gab es bereits 1860 im neuen Verein zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse in Wien die ersten öffentlichen Vorträge über Darwins (r)evolutionäre Theorie.

Verewigung in der Fassade

Diese wurde damals nicht nur in wissenschaftlichen Kreisen, sondern auch in literarischen Zirkeln eifrig diskutiert und inspirierte österreichische Schriftsteller des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Darwin wurde in Wien sogar architektonisch gewürdigt: Er war der einzige damals lebende Naturforscher, den man 1876 in der Fassade das Naturhistorischen Museums Wien verewigte.

Doch mit dem Ende des Liberalismus kam auch der Rückfall in den Katholizismus, wie der Anatom Emil Zuckerkandl nach seiner Antrittsvorlesung 1888 zur Kenntnis nehmen musste, in der er einige anatomische Besonderheiten des Menschen mit unserer Abstammung vom Affen begründet hatte. Tags darauf gab es auf der ersten Seite der Tageszeitung "Das Vaterland" prompt eine heftige antisemitische Polemik gegen den frischgebackenen Ordinarius an der Uni Wien. Und sogar der damalige Unterrichtsminister Gautsch, ein strammer Katholik, sah sich genötigt, Zuckerkandl wegen dessen "Unvorsichtigkeit" zu tadeln.

Katholische Restaurationen

Unter Wiens Bürgermeister Karl Lueger war die Verbreitung von Darwins Lehren dann ebenso unerwünscht wie unter Dollfuß und Schuschnigg. Und auch in den Jahren nach 1945, einer weiteren Phase trister katholischer Restauration, behinderte man Darwins Anhänger, so gut es ging. Auch aus diesem Grund wanderten 1950 sowohl Karl von Frisch als auch Konrad Lorenz nach Deutschland aus – die einzigen wissenschaftlichen Nobelpreisträger Österreichs seit dem Zweiten Weltkrieg.

Vor allem der frühen, besonders umkämpften Rezeption der Evolutionstheorie rund um 1900 wird sich dieser Tage das internationale Symposion "Darwin in Zentraleuropa" widmen, das von der rührigen Ignaz-Lieben-Gesellschaft und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) veranstaltet wird. Neben den damaligen Debatten in der Wissenschaft stehen dabei auch die heftigen weltanschaulichen Auseinandersetzungen im Fokus.

Umstritten in der Türkei

Die Aktualität des Themas liegt auf der Hand: Während sich Wien in den vergangenen Jahren zu einem Zentrum der Evolutionsforschung mauserte, gab es in etlichen anderen Ländern einen Rückfall in längst überwunden geglaubte Zeiten: In der Türkei wurde die Evolutionstheorie ebenso aus einigen Schullehrplänen gestrichen wie in Serbien; in einigen US-Bundesstaaten dürfen auch Alternativen dazu angeboten werden. (Klaus Taschwer, 8.11.2017)