Cincinnati/Wien – Im Jahr 2015 legten Archäologen der University of Cincinnati bei Pylos auf dem Peloponnes einen Schatz frei: Sie hatten das 3500 Jahre alte Grab eines mykenischen Kriegers entdeckt, das neben Gebeinen auch etliche kostbare Beigaben enthielt. Zwischen Schmuckstücken aus Gold, Elfenbeinkämmen und einem reich verzierten Bronzeschwert fand sich auch ein auf den ersten Blick weit weniger spektakuläres Stück: ein Objekt kaum größer als eine Perle, das bis zur Unkenntlichkeit mit Kalk überzogen war.

Der Stein nach dem Fund 2015.
Foto: University of Cincinnati

Beispielloses Kunstwerk

Nun aber berichtet das Team um Shari Stocker und Jack Davis in Hesperia, dass es sich dabei wohl um das bedeutendste Artefakt der Fundstätte handelt: Unter den Ablagerungen kam ein kunstvoll verzierter Siegelstein ans Licht, auf dem eine Kampfszene in verblüffenden Details abgebildet ist. Der nur 3,6 Zentimeter lange Stein dürfte für Tonabdrücke verwendet worden sein.

Ans Licht kam eine kunstvoll gefertigte Kampfszene.
Foto: University of Cincinnati


Manche Einzelheiten und die aufwendigen Verzierungen sind so klein, dass sie mit freiem Auge kaum sichtbar sind, sagte Davis. "Es ist faszinierend, sie messen vielleicht einen halben Millimeter." Doch das ist nicht der einzige erstaunliche Aspekt an dem Fund. Denn wie auch andere Funde aus dem bronzezeitlichen Grab, das einem mächtigen Mykener zugerechnet wird, entstammt der Siegelstein der Minoer-Kultur.

Erst die Vergrößerung verdeutlicht den Detailreichtum.
Foto: University of Cincinnati

Heroische Legende

"Die Minoer haben offenbar Kunstwerke in einer Qualität geschaffen, die ihnen bislang niemand zugetraut hat", sagte Davis. "Darstellungen des menschlichen Körpers in solchem Detail finden sich erst 1000 Jahre später in der griechischen Klassik wieder."

Vergrößerte Zeichnung der Kampfszene.
Illustration: University of Cincinnati

Die Abbildung zeigt einen siegreichen Krieger, der gerade zum Todesstoß gegen seinen Kontrahenten ansetzt, ein dritter Kämpfer liegt bereits am Boden. Die Inszenierung erinnere an die epischen Schlachten in Homers Werken, so die Forscher. Sie vermuten, dass es sich um eine Szene aus einer Legende handelt, die sowohl Minoern als auch Mykenern bekannt war. "Der Siegelstein muss äußerst wertvoll und repräsentativ gewesen sein", so Stocker. "Der Besitzer identifizierte sich wohl mit dem Helden." (dare, 8.11.2017)