Wien/Paris – Eine vor drei Jahren gewonnene theoretische Erkenntnis konnte nun ein Forscherteam mit österreichischer Beteiligung auch im Experiment nachgewiesen: Demnach sind Lichtstrahlen im Schnitt in Flüssigkeiten gleich lange unterwegs, egal ob sie auf ihrem Weg auf Hindernisse stoßen oder nicht, berichten die Physiker im Fachblatt "Science".

Ein anschauliches Beispiel brachten die Forscher um Stefan Rotter und Philipp Ambichl von der Technischen Universität (TU) Wien bereits zur ursprünglichen Arbeit aus dem Jahr 2014: Sie illustrierten das Verhalten der Lichtwelle mit dem eines Betrunkenen, der über einen Platz torkelt. Demnach würde man üblicherweise davon ausgehen, dass der Betrunkene länger auf dem Platz verweilt, wenn sich dort zahlreiche Hindernisse befinden, etwa Laternen.

Doch die Forscher kamen zu einem anderen Schluss. Gleich, ob auf jedem Quadratmeter des Platzes eine Straßenlaterne steht oder die Abstände dazwischen sehr groß sind – der Betrunkene braucht auf seinem zufälligen Weg vom Betreten bis zum Verlassen des Platzes im Durchschnitt immer gleich lange. Das Ergebnis ist aber nicht nur für Stadtplaner relevant: Die Wissenschafter wiesen nach, dass diese Konstanz der Verweildauer universell ist und sogenannte Transportphänomene aus ganz unterschiedlichen Bereichen erklärt.

Entscheidende Weglänge

Ausgangspunkt der Überlegungen war die Frage, wie sich Wellen in einem ungeordneten Medium ausbreiten, das keinen homogenen Brechungsindex besitzt. Ein solches ist etwa ein Glas Milch. Fällt dort Licht ein, wird es an den zahlreichen Partikeln gestreut und verlässt das Glas wieder. Dadurch erscheint die Flüssigkeit weiß und undurchsichtig. Eine klare Substanz lässt einen Gutteil des Lichts dagegen quasi ungehindert passieren.

Üblicherweise würden solche Transportphänomene anhand der Strecke beschrieben, über die sich eine Welle oder ein Teilchen frei bewegen kann, bis das nächste Hindernis kommt. Im Beispiel des Betrunkenen wäre das also der durchschnittliche Abstand zwischen zwei Laternen, im Fall der Glases die Distanz zwischen zwei Partikeln, an denen eine Lichtwelle gestreut wird.

Von dieser mittleren freien Weglänge hängen viele Größen ab, etwa wie viel Zeit die Lichtwelle im Glas verbringt, wenn sie vollständig durchgelassen oder reflektiert wird. Oder im Fall des Betrunkenen die Zeit am Platz, in der er irgendwo anstößt und kehrtmacht oder ob der vielen Hindernisse einen zackigen Weg einschlägt und sehr lange auf die andere Seite braucht. "Man kann mathematisch zeigen, dass sich diese beiden Effekte erstaunlicherweise genau aufheben. Im Mittel ist der durchschnittliche Weg, den das Licht in der Flüssigkeit zurücklegt, immer gleich lang", so Rotter.

Nachweis im Reagenzglas

Die Forscher gingen daran, ihr theoretisches Ergebnis experimentell zu bestätigen. Dafür wurde Wasser in einem Reagenzglas mit Nanopartikeln vermischt. Je mehr Partikel sich darin befanden, desto mehr Hindernisse streuten das Licht auf dem Weg durch die Probe und umso milchig-trüber erschien demnach auch die Flüssigkeit.

"Wenn Licht durch diese Flüssigkeit geschickt wird, dann ändert sich die Streuung fortwährend, weil sich die Nanopartikel im Wasser bewegen. Dadurch entsteht ein charakteristisches Glitzern auf der Oberfläche des Reagenzglases. Wenn man dieses genau vermisst und analysiert, kann man daraus auf die Weglänge schließen, die das Licht in der Flüssigkeit zurückgelegt hat", erklärte Rotter. Die Wissenschafter kamen so zum Schluss, dass der Weg des Lichts tatsächlich im Durchschnitt immer gleich lang bleibt.

Und das gilt eben nicht nur für Licht in mehr oder weniger trüben Flüssigkeiten. Laut Rotter dürfte es sich um "eine sehr fundamentale Eigenschaft handeln, wonach ein Medium einer bestimmten Größe eine Welle oder ein Teilchen nur für eine gewisse Zeit einfangen kann, egal wie das Material strukturiert ist". (APA, 13.11.2017)