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Carme Forcadell nach ihrer Anhörung vor Gericht in Madrid.

Foto: REUTERS/Sergio Perez

Madrid – Die Anhörung der Präsidentin des katalanischen Autonomieparlaments, Carme Forcadell, sowie die von weiteren fünf Präsidiumsmitgliedern nahm am Donnerstag eine überraschende Wendung. Die Angeklagten erkannten ausdrücklich die Zwangsmaßnahmen Madrids gegen die nordostspanische Region an. Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte am 27. Oktober nach einer Unabhängigkeitserklärung des Autonomieparlaments die katalanische Regierung abgesetzt, die Verwaltung selbst übernommen sowie das katalanische Parlament aufgelöst und Neuwahlen für den 21. Dezember angesetzt.

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Forcadell sagte laut der spanischen Presseagentur EFE aus, dass die Unabhängigkeitserklärung "rein symbolisch" gewesen sei. Genutzt hat es ihr wenig. Richter Pablo Llanera verhängte Untersuchungshaft. Wenn sie binnen einer Woche 150.000 Euro Kaution aufbringt, bleibt sie frei. Vier Mitglieder des Präsidiums müssen 25.000 Euro hinterlegen, um die U-Haft zu vermeiden. Gegen den sechsten, Abgeordneter der Liste rund um Podemos, "Katalonien kann", wurde keine Auflagen gefordert. Er hatte gegen die Mehrheit im Präsidium gestimmt. Den Angeklagten wird "Rebellion", "Aufstand" und "Veruntreuung öffentlicher Gelder" vorgeworfen. Darauf stehen bis zu 55 Jahre Haft.

Auslieferung Puigdemonts

Bereits vergangene Woche fand vor der Audiencia Nacional eine Anhörung wegen derselben Vorwürfe statt. Dort standen die Mitglieder der abgesetzten katalanischen Regierung vor Gericht. Anders als die Mitglieder des Parlamentspräsidiums beantworteten sie die Fragen der Staatsanwaltschaft nicht. Sieben von acht Angeklagten, unter ihnen der katalanische Vizeregierungschef Oriol Junqueras, sitzen seither in Untersuchungshaft. Regierungschef Carles Puigdemont und vier weitere Minister hatten sich zuvor nach Brüssel abgesetzt. In den kommenden Wochen wird die belgische Justiz über eine mögliche Auslieferung entscheiden.

Anders als Richterin Carmen Lamena an der Audiencia Nacional gewährte Richter Pablo Llarena am Obersten Gerichtshof vor einer Woche einen Aufschub der Anhörung, um den Betroffenen und ihren Anwälten mehr Zeit für die Prozessvorbereitung zu geben. Die ursprünglichen Vorladungen waren den Mitgliedern des Parlamentspräsidiums und der Regierung weniger als 24 Stunden vor dem Gerichtstermin zugestellt worden.

Demonstration geplant

Forcadell und dem Parlamentspräsidium wird vorgeworfen, mehrere illegale Initiativen im Parlament zugelassen zu haben. So wurde das Gesetz für das Referendum über die Unabhängigkeit zur Debatte zugelassen. Die katalanische Volksvertretung verabschiedete auch ein Gesetzt, mit dem ein Übergang von einer spanischen Region hin zur einer unabhängigen Katalanischen Republik durchgeführt werden sollte. Beide Gesetze wurden vom spanischen Verfassungsgericht für ungültig erklärt. Die katalanische Regierung organisierte dennoch die Volksabstimmung am 1. Oktober. Und am 27. des gleichen Monats wurde vom Parlament die Unabhängigkeit ausgerufen. Auch diese Sitzung hatten Forcadell und das Präsidium zugelassen, und das trotz Warnungen seitens der parlamentarischen Rechtsabteilung.

Für kommenden Samstag ist in Barcelona eine Demonstration für die Freilassung der Regierungsmitglieder sowie der Vorsitzenden der beiden wichtigsten Organisationen der Unabhängigkeitsbewegung, Katalanischen Nationalversammlung und Òmnium, geplant. (Reiner Wandler aus Madrid, 9.11.2017)