900 Menschen nahmen am Donnerstagabend an dem Gedenkmarsch "Light of Hope" teil.

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Der Rektor der Universität Wien, Heinz Engl, und der Dekan der Juristischen Fakultät, Paul Oberhammer, nahmen am Donnerstagabend an der Veranstaltung "Light of Hope" teil. Der Gedenkmarsch gilt den Opfern der Novemberpogrome: In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 waren in Wien, wie im restlichen Österreich, Synagogen in Brand gesetzt und Juden ermordet worden. 7.800 Juden wurden verhaftet und 4.000 von Wien aus in das Konzentrationslager Dachau gebracht.

An dem Gedenkmarsch nahmen laut Polizei etwa 900 Personen teil. Die Abschlusskundgebung wurde von Videobotschaften von Politikern und Zeitzeugen umrahmt. Eine Grußbotschaft christlicher Kirchen wurde verlesen, anwesend war auch der Präsident der Türkischen Kulturgemeinde.

Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, sagte in seiner Rede, es gelte die Erinnerung an die Novemberpogrome wachzuhalten, und verwies auf die "gegenwärtige Situation" in Europa: Es würden derzeit Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus wieder verstärkt auftreten, warnte er.

Gedenkmarsch erstmals öffentlich

"Light of Hope", der von der Israelitische Kultusgemeinde und der jüdische Jugend Wien organisierte Gedenkmarsch, war heuer erstmals öffentlich zugänglich und zog am Juridicum vorbei. Anlass war der AG-Jus-Skandal: Im Zuge des ÖH-Wahlkampfs waren im vergangenen Mai NS-verherrlichende, antisemitische und rassistische Postings von Funktionären der ÖVP-nahen Aktionsgemeinschaft am Juridicum bekannt geworden.

In den Facebook-Gruppen "FV-Jus Männerkollektiv" und "Aktive AG Jus'ler" sowie in dem Whatsapp-Chat "Badass Warlords" hatten sich Funktionäre der AG unter anderem über Fotos von Aschehaufen als "Nacktfotos von Anne Frank" lustig gemacht.

Scham über die "30 Täter"

Im Vorfeld der Kundgebung lud Dekan Oberhammer Studierende und Mitarbeiter zur Teilnahme ein. Bei der Schlusskundgebung neben dem Shoah-Mahnmal auf dem Judenplatz stellte er klar, dass man sich am Juridicum für die "dreißig Täter" schäme. Deren Verteidigung, es habe sich lediglich um schwarzen Humor gehandelt, könne man nicht gelten lassen: "Wer so etwas äußert, ist antisemitisch. Punkt."

Im Gespräch mit dem STANDARD erwähnt Oberhammer eine Reihe von Maßnahmen, die die Uni im Zuge des Skandals gesetzt habe. 2018 solle eine Ringvorlesung zum Thema "Krisen des Rechts 1938–2018" abgehalten werden, außerdem plane man eine Ausstellung im Fakultätsgebäude über vertriebene Lehrende und Studierende, und auch Gedenkstätten sollen im Juridicum eingerichtet werden.

"Ein kleines Jahr 1946" am Juridicum

Die AG Jus stellt seit der letzten ÖH-Wahl drei von fünf Fakultätsvertretern im Diplomstudiengang Rechtswissenschaften. Oberhammer sieht den Wahlausgang trotzdem als positives Zeichen. Immerhin sei es das schlechteste AG-Ergebnis seit Jahrzehnten gewesen. Unter den aktuellen AG-Funktionären stelle er vor allem Scham und Befangenheit fest. "Wir haben hier ein kleines Jahr 1946", so der Dekan.

Ilse Reiter-Zatloukal, außerordentliche Professorin für Rechtsgeschichte an der Uni Wien, hat die Lehrveranstaltung "'Jüdischsein' in Österreich im Spiegel des Rechts" initiiert, die sie derzeit gemeinsam mit anderen Lehrenden abhält. Auch dafür diente der AG-Jus-Skandal als Anlass. Reiter-Zatloukal denkt nicht, dass rechtes Gedankengut am Juridicum verbreiteter ist als an anderen anderen Fakultäten. "Da täte ich jedenfalls meinen Studierenden unrecht, die sehr großes Interesse an Zeitgeschichte zeigen." Auch der Kurs "Jüdischsein" sei übervoll. Vielleicht seien Jus-Studierende aber weniger kritisch und "politisch", sagt Reiter-Zatloukal.

Kern erinnert an Pogrome: FPÖ applaudiert nicht

Noch-Bundeskanzler Christian Kern nutzte am Donnerstag seine Antrittsrede im Nationalrat, um an die Novemberpogrome zu erinnern. "Es war der erste Schritt zur Massenvernichtung", sagte Kern und mahnte, dass die Suche nach Sündenböcken in der Politik keinen Platz haben dürfe. Er erhielt Applaus von fast allen Parteien, nur die Abgeordneten der FPÖ klatschten bis auf wenige Ausnahmen nicht, wie auf einer Aufnahme des ORF zu sehen ist. (Anastasia Hammerschmied, 9.11.2017)