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Kernkraftwerke werden in Frankreich noch länger in Betrieb bleiben.

Foto: Reuters / Christian Hartmann

Das Jahr 2025 sollte für die französische Energiepolitik ein Meilenstein werden: Zu diesem Zeitpunkt sollte der mächtige AKW-Park nicht mehr 75 Prozent der Elektrizität im Land liefern, sondern nur noch die Hälfte. Für das Atomstromland Frankreich ein fast so gewaltiger Schritt wie für andere ein kompletter Ausstieg. Der Wert von 50 Prozent wurde vor zwei Jahren sogar in einem Energiewendegesetz schriftlich festgehalten.

Jetzt gilt er nicht mehr. Umweltminister Nicolas Hulot erklärte am Mittwoch, es werde "schwierig sein, das Datum 2025 einzuhalten – es sei denn, wir steigern die Stromproduktion durch fossile Brennstoffe. In diesem Fall müssten wir sogar neue thermische Kraftwerke in Betrieb nehmen." Das sei aber mit den ehrgeizigen Klimazielen Frankreichs unvereinbar, argumentiert der Minister, ein populärer Ex-Fernsehjournalist, der als Realo und nicht als ausgesprochener AKW-Gegner gilt.

Unrealistisches Ziel

Hulot fügte an, viele Leute hätten "gewusst, dass das Ziel 2025 nicht erreichbar ist". Das war auf den früheren sozialistischen Staatschef François Hollande gemünzt, der im Präsidentschaftswahlkampf 2012 erstmals versprochen hatte, Frankreich werde den Atomstromanteil bis 2025 von 75 auf 50 Prozent senken; als ersten Schritt hatte er die Schließung des dienstältesten Atomkraftwerkes Fessenheim für 2016 in Aussicht gestellt.

Beide Ziele verpasste Hollande klar, und auch sein Energiewendegesetz wirkt erst beschränkt. Zum Beispiel verfügt Frankreich bis heute über keine Offshore-Windanlagen. Da der Atomstrom Frankreich einen bedeutend niedrigeren Ausstoß von Kohlenstoffdioxid (CO2) verschafft als etwa Deutschland, bleiben die Anreize gering, auf erneuerbare Energien umzusteigen.

Es fehle an politischem Mut

Der neue Präsident Emmanuel Macron hatte im Frühjahr Hollandes Vorgaben ausdrücklich übernommen. "Ich schließe mich dem Ziel von 50 Prozent im Jahr 2025 an. Es ist nicht gut, wenn unser Land zu 75 Prozent von der Nuklearproduktion abhängt", erklärte er im Präsidentschaftswahlkampf.

Der grüne Abgeordnete Yannick Jadot übte scharfe Kritik: "Es fehlt in diesem Land an politischem Mut gegenüber der Atomindustrie." Hulot mache sich sogar zu ihrem "Sprecher", übernehme er doch einen Bericht des Stromnetzbetreibers RTE. Dieser kommt zu dem Schluss, dass Frankreich vier Kohlekraftwerke behalten und 20 neue Gasturbinen bauen müsste, um die Senkung der Atomstromproduktion von 75 auf 50 Prozent zu kompensieren. "In Wahrheit ist Frankreich bei der Umstellung auf die erneuerbaren Energien mehr als alle anderen Länder im Rückstand", meinte Jadot.

Auch für die Stilllegung des Elsässer AKWs Fessenheim räumt Hulot zwei Jahre mehr Zeit ein. Schon Hollande hat den Schließungsentscheid jahrelang vor sich hergeschoben; zuletzt koppelte er ihn an einen Zeitpunkt nach seinem Mandat, nämlich die für 2020 geplante Inbetriebnahme des neuen EPR-Druckwasserreaktors in Flamanville (Normandie). Hulot nennt nun nicht mehr dieses Datum; er erklärte vielmehr, Fessenheim werde "noch während der präsidialen Amtszeit" – die 2022 ausläuft – abgeschaltet.

Das Netzwerk Sortir du nucléaire erinnerte daran, dass Hollande das Gleiche bis zum Ende seines eigenen Mandats angekündigt hatte. Und dass Frankreich nicht nur Fessenheim stilllegen müsste, sondern 16 weitere Reaktoren, um den Atomstromanteil an der nationalen Produktion wirklich auf die Hälfte zu senken. (Stefan Brändle aus Paris, 9.11.2017)