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Mehr als zwei Drittel der internationalen Top-100-Unternehmen kooperieren dafür bereits mit Jungunternehmen, wie eine Studie der Business-School Insead zusammen mit "500 Startups" zeigt.

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Marie Puybaraud: "Wann immer Mitarbeiter allein am Computer arbeiten, sollte das außerhalb eines Büros stattfinden."

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Sich neu zu erfinden ist in disruptiven Zeiten eine Frage des Überlebens. Mehr als zwei Drittel der internationalen Top-100-Unternehmen kooperieren dafür bereits mit Jungunternehmen, wie eine Studie der Business-School Insead zusammen mit "500 Startups" zeigt. Was – außer neue Ideen – erhoffen sich Großkonzerne noch von der Zusammenarbeit mit den wendigen Unternehmen? Und was kann noch für Innovation sorgen? Antworten gab Marie Puybaraud, die die Forschungsabteilung des Beratungsunternehmens JLL Corporate Solutions leitet.

STANDARD: Werden wir noch länger beobachten, wie Start-ups und Konzerne kooperieren, oder ist das ein kurzfristiger Trend?

Puybaraud: Ich denke, dass sich das Modell erst in der Entstehungsphase befindet und noch beliebter werden wird. Konzerne erhoffen sich von den Start-ups Innovationen, da ihre eigene Wandlungsfähigkeit limitiert ist – sie sind große Schiffe. Jungunternehmen Infrastruktur, Budget und Kontakte zur Verfügung zu stellen ist ein relativ einfaches Investment. Immer mehr entscheiden sich dafür.

STANDARD: Überall in Europa?

Puybaraud: Ja. Und die Zusammenarbeit kann verschiedene Formen annehmen: Akquisition, Sponsoring oder Inkubatoren. Co-Working ist eine weitere Form: Konzernmitarbeiter sitzen inmitten der jungen Unternehmer. Das ist neu. Und beachtlich, weil größere Konzerne Sicherheitsbedenken haben. Aber hier nehmen sie das Risiko in Kauf.

STANDARD: Geht es auch darum, sich die Arbeitsweise anzueignen?

Puybaraud: Sie erhoffen sich ganz simpel Zugang zu diesem Ökosystem der Talente. Klein- und Mittelunternehmen verstehen es sehr gut, kluge Köpfe anzuziehen.

STANDARD: Weiter zu Co-Working, von dem Sie sagen, es sei "die Zukunft". Studien zeigen, dass es Mitarbeiter nicht gutheißen, dass es die Kommunikation untereinander eher verschlechtert.

Puybaraud: Natürlich ist es für viele zunächst eine Umstellung, so zu arbeiten. Co-Working wird auch nicht immer und überall funktionieren. Und nicht jeder Mitarbeiter wird sich wohl damit fühlen. Grundsätzlich kann ein Open Space aber ein Mehr an Kreativität bringen, das haben unsere Untersuchungen gezeigt. Er muss aber richtig gestaltet sein.

STANDARD: Worauf kommt es an?

Puybaraud: Auf Flexibilität und Agilität. Aktuell bestehen Unternehmen zu circa 50 Prozent aus Einzeltischen und zu 50 Prozent aus Meeting-Räumen. Seit Jahren sage ich, es wäre effizienter, 80 Prozent des Platzes der Zusammenarbeit zu widmen. Das kann außer den Meeting-Spaces etwa auch eine Gemeinschaftsküche sein.

STANDARD: Was halten Sie von Tischfußballtischen, wie sie in Start-ups installiert werden?

Puybaraud: Sie werden auch in Großkonzernen beliebter. Wir konnten allerdings nicht nachweisen, dass sich solche Spielereien positiv auswirken. Was dagegen sehr wohl Mehrwert bringt, sind multifunktionale Orte. Räume, die etwa untertags ein Meeting-Raum sind und dann in einen Gaming-Raum transformiert werden. Außerdem: Wann immer Mitarbeiter allein am Computer arbeiten, sollte das außerhalb eines Büros stattfinden. Pro Arbeitstag verbringt man circa 60 Prozent der Zeit allein am Schreibtisch. Viel zu viel.

STANDARD: Wieso funktioniert flexibles Arbeiten noch so schlecht?

Puybaraud: Dass liegt daran, dass viele Konzerne die Umsetzung nicht hinbekommen. Doch wie legt man Home-Working fest? In einem Vertrag? Es geht um Sicherheitsfragen, Rechtsfragen. Ebenfalls ein Problem ist Präsentismus. Chefs wollen ihre Mitarbeiter auf dem Bürosessel sitzen sehen. Aber klar ist: Flexibles Arbeiten wird sich durchsetzen. Dass Mitarbeiter fünf Tage die Woche im Büro sitzen müssen, ist Nonsense.

STANDARD: In einer Umfrage unter Mitarbeitern, die Sie durchführten, sagen neun von zehn, dass sie sich einen "Chief Happiness Officer" für ihr Unternehmen wünschen.

Puybaraud: Und zwar in zwölf Ländern, die wir untersucht haben.

STANDARD: Interessant – ist diese Funktion doch eigentlich unüblich in Europa.

Puybaraud: Stimmt. Das Ergebnis zeigt, dass es lohnenswert wäre, diese Rolle einzuführen. Glücklichsein: Das ist schließlich eine der Top-Prioritäten der Menschen, auch bei der Arbeit. (Lisa Breit aus London, 17.11.2017)