Jon Bernthal ist der Punisher.

Foto: David Giesbrecht/Netflix

New York – Am Ende muss auch der Vorschlaghammer dran glauben. Dabei ist er über weite Teile der ersten von dreizehn Folgen von "Marvel's The Punisher", die ab Freitag auf Netflix verfügbar sind, Frank Castles Hauptwerkzeug.

Zum Hammer greift Castle (Jon Bernthal), der im Marvel-Universum als der titelgebende "Punisher" (etwa: Bestrafer) firmiert, um seinen Schmerz zu verarbeiten – wenn er sich daran erinnert, dass seine Familie von Kriminellen ermordet worden ist und er bis zu einem gewissen Grad Verantwortung dafür trägt. Dann schlägt der Punisher auf einer Baustelle in New York mit dem Hammer auf Wände ein, um sich mit der Gewalt und dem körperlichen Schmerz vom seelischen abzulenken.

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Und als er dann auf ebendieser Baustelle Unrecht ausmacht, punisht der Punisher. Er tut das geübt, gezielt, schädelzertrümmernd, blutspritzintensiv – und so heftig, dass auch der Hammer dabei zu Bruch geht. Aber was ein echter Mann ist, findet neue Wege, seine Gefühle zu verarbeiten. Wozu gibt es Fäuste, Messer und Schusswaffen?

Immerhin tut sich für Frank Castle sogleich eine neue Gelegenheit auf, Menschen mit blanker Gewalt unter die Erde zu bringen oder zu foltern: Es gilt eine große Verschwörung in New York aufzudecken, dabei wird der Punisher stets mit seiner eigenen Vergangenheit als Teil eines mörderischen Spezialkommandos in der US-Armee konfrontiert.

Harte Schale, unbekannter Kern

Nach mehreren Umsetzungen des "Punisher"-Stoffs als Spielfilm (etwa 2004 mit John Travolta) ist die Netflix-Produktion die erste Adaption als Serie – und die einzige, die offiziell unter dem Marvel-Dach läuft. DER STANDARD sah die ersten vier Folgen vorab. Hauptdarsteller Jon Bernthal ("The Walking Dead") spielte die Rolle schon in der Serienadaption von "Daredevil".

Das Jahr 2017 hätte Serienschöpfer Steve Lightfoot die Chance gegeben, dem Charakter Castles etwas mehr Tiefe oder gar Komplexität zu verleihen. Lightfoot hat sie wohl absichtlich ungenutzt verstreichen lassen, schade ist das dennoch: Seit Jahrzehnten sehen wir im Fernsehen starke Männer mit harter Schale und einem Kern, dessen Existenz wir nur wohlwollend vermuten können.

Jagdmesser, Ruderleiberl, Bohnen aus der Dose

Die Motivation des Punishers: dass seine hübschen Kinder und die hübsche Frau, die ihn im Sommerkleid mit Kuss weckt und Frühstück ankündigt, ermordet wurden und er sich schuldig fühlt. Seine Methode: rohe Gewalt.

Frank Castle flüstert seinen Opfern im Bariton arge Sätze ins Ohr, er repariert Witwen Müllzerkleinerer und Autos, er isst während des Folterns im Ruderleiberl mit einem Jagdmesser Bohnen direkt aus der Dose, und er sagt "Always buy American", wenn er statt eines Lamborghini einen Ford Mustang stiehlt. Komplexe Charaktere, die mit Geschlechterrollen brechen wie Eleven bei "Stranger Things", Claire Underwood bei "House of Cards" oder gar Maura Pfefferman bei "Transparent", braucht es da gar nicht, um die Figur wie die Karikatur eines hoffnungslos überholten Männerbilds wirken zu lassen – noch dazu einem, das schon etliche Male dargestellt wurde.

Hilfloser Versuch

Dass die Serienmacher den Punisher abends große amerikanische Literatur lesen lassen, wirkt wie ein hilfloser Versuch, der Figur eine Tiefe zu geben, die sie nicht einmal im Ansatz hat. Wäre der Punisher sympathisch, würde er zumindest das alte "Netter Charakter macht schlimme Dinge"-Muster erfüllen. Doch nicht einmal das: Frank Castle bringt Leute um und lässt dabei das Blut spritzen. Wer das an sich toll findet und sonst nichts braucht, wird mit "The Punisher" seinen Spaß haben. (Sebastian Fellner, 18.11.2017)