Der Chor bringt die Seherin (Sophia Löffler) in Bedrängnis.

Foto: Matthias Heschl

Wien – Wenn Donald Trump auf einen Obdachlosen deutet und sagt, dieser kauernde Mann sei um acht Milliarden Dollar reicher als er (weil Trump selbst gerade hohe Schulden hat), so hat der Mensch auf der Straße trotzdem immer noch nichts. Und so wird es bleiben, während Trump seine Schulden wieder tilgt.

Reichtum zieht Reichtum, Armut Armut an, nicht zuletzt durch das Vererben. Darüber hat Thomas Köck ein Stück geschrieben, dessen Zeitvektoren (wie schon in seiner preisgekrönten Klima-Trilogie) mythologische Ausmaße annehmen und das als Mash-up von griechischer Tragödie und zarter Science-Fiction famos auf den Spuren Elfriede Jelineks wandelt: Eine Seherin (Sophia Löffler) richtet im bodenlang fließenden Kleid weissagende Worte an das Publikum und wird dabei von einem wild gewordenen Chor einer jungen mitteleuropäischen Erbengemeinschaft jenseits der Charmegrenze zunehmend in die Enge getrieben.

Trailer zu "Die Zukunft reicht uns nicht ..."
Schauspielhaus Wien

Aus dieser Dynamik entwickelt sich ein prächtiger Abend, der diverse Textgattungen in sich vereint und dessen von kühnen Wendungen und Stilbrüchen getragener belletristischer Redestrom lebhaftes Denken verursacht. Köck liefert als Autor und Koregisseur an der Seite von Elsa-Sophie Jach keine eindimensionalen Bilder oder Aussagen, er schafft unverbrauchte Denkfiguren als Diskursangebot aus dem Geist von Poesie und Heiterkeit. Zum Beispiel entpuppt sich der Chor an unerwarteter Stelle als gar nicht so homogene, einstimmige Gruppe, wie man immer denkt.

Ein von Kassandra mehrmals in die Luft geschickter mechanischer Vogel kreist flatternd um ein Gräberfeld (Bühne: Stephan Weber), in dem die Leichen der Vergangenheit ruhen. Aus welcher Zeit sie stammen und was sie uns überantwortet haben, wissen wir nicht, und das ist auch das Problem: Wir trennen die Zeiten (Vergangenheit bis Vorzukunft) viel zu sehr voneinander, statt sie zusammenzudenken. Denn nach dem Sterben tickt die Uhr für die Erben ja weiter. Doch, so der Titel: Die Zukunft reicht uns nicht (Klagt, Kinder, klagt!). Es geht um Verantwortung über die eigene Zeit hinaus. Konterkariert werden die Reden Kassandras von Politikerzitaten, deren Schlagkraft es gar nicht nötig macht, sie plakativ zu präsentieren. Sie schwingen auf dem genialen Soundscore von Johann Sebastian Bach bis zu einem Joy-Division-Cover unaufgeregt mit, etwa Donald Trumps Sager "I inherited a mess" ("Ich habe einen Sauhaufen geerbt").

"Die Umverteilung kommt auch diese Legislaturperiode nicht", sagt eine aus dem Chor. Sieht ganz so aus. Großer Jubel. (Margarete Affenzeller, 10.11.2017)