Wien – Adriana und Anna: Schon die Vornamen weisen Ähnlichkeiten auf. Auch als Bühnengrößen sind beide zu bezeichnen: Adriana (eigentlich Adrienne) Lecouvreur war im 18. Jahrhundert ein Star der Pariser Comédie-Française. Und die milde Musiktheaterweltregentin Anna Netrebko muss ihren Untertanen sowieso nicht mehr vorgestellt werden. Die Netrebko präsentierte ihre neue Partie erstmals an der Staatsoper und wandelte auf Kolleginnenspuren: Bei der Premiere von David McVicars malerischer Rokoko-Einrichtung sang vor dreieinhalb Jahren Angela Gheorghiu die Adriana.

Ist Gheorghiu auf der Bühne eine Mischung aus Drama-Queen und nervösem Rennpferd – ganz Diva eben – so geht es Anna Netrebko normalmenschlicher an: Ihr liegt die romantische Liebe und das wahre Leiden mehr. Sie ließ sich von den historischen Textilgefängnissen nicht behindern und transportierte Liebe und Leiden mithilfe ihres schokoladig dunklen, weichen Soprans berührend, atemberaubende Crescendi und Decrescendi inklusive.

Piotr Beczala kam als Maurizio nicht ganz an Netrebkos Souveränität heran, küsste sie aber kurz vor ihrem Bühnentod so leidenschaftlich, dass ihr augenblicklich die Sinne schwanden. Elena Zhidkova, die Principessa di Bouillon: Ihr Mezzo ist rollenatypisch hell und schlank. Ihre Auftrittsarie Acerba voluttà war frei von Seelenpein, danach erinnerte Zhidkova weniger an eine kaltblütige Fürstin denn an eine verschreckte Dienstmagd: Fehlbesetzung. Evelino Pidò betonte die französische Note im Werk Francesco Cilèas, präsentierte mit dem filigran agierenden Staatsopernorchester Verismo light in zarten Pastellfarben. Begeisterung. (Stefan Ender, 10.11.2017)