Wien – Der Konzertbetrieb lebt von Wiederholung und Routine – und suggeriert doch das Einmalige, Außergewöhnliche, das oft genug gerade nicht eintritt. Und dann ist es plötzlich doch da: ein Ereignis, das selbst das oft Gehörte schlagartig in unerwartet neues Licht taucht. Das zweite Abonnementkonzert der Philharmoniker im Musikverein beschenkte (am Samstag) mit einem solchen Moment.

Schon aus Schostakowitschs 1. Cellokonzert in Es-Dur strahlte unablässig Präsenz durch den Solisten Gautier Capuçon, der seinem perfekt gestählten Ton den Ausdruck emotionaler Dringlichkeit verlieh: klagend, träumerisch singend, sich aufbäumend, resignierend. Hilfreich ein Orchester, das ungewöhnlich intensiv an solcher Intensität teilhatte und dabei pointiert, akkurat und sinnig den Ausgleich zwischen Klangkultur und drastischer Zuspitzung fand.

Das war zweifellos zu guten Teilen das Verdienst von Dirigent Semjon Bytschkow. Er zog ganz unauffällig die Fäden, nahm sich als Person ganz zurück, lenkte dabei jedoch ungeheuer gezielt das Augenmerk auf so manches Detail, das die Bedeutung des Ganzen zu verändern vermochte.

Nicht anders bei der Alpensinfonie von Richard Strauss, die plastisch und kühn wirkte wie schon lange nicht mehr. Schon bei der Nacht ließ Bytschkow dissonant fluktuierendes Streicherflimmern entstehen. Und er zeigte bei allen weiteren Naturschilderungen ihre Ambiguität zwischen Schlichtheit und oszillierender Abgründigkeit auf – eine Dynamik, die gern übergangen wird.

Geradezu überfallsartig und noch gewaltiger als die weiteren Höhepunkte realisierte er mit dem glänzenden und dabei ungewöhnlich differenzierten, zuweilen auch ans Herbe anstreifenden Orchester jedoch den machtvollen Sonnenaufgang: Allein das war eine Offenbarung.

Nächste Konzerte der Philharmoniker im Musikverein mit Christian Thielemann (18., 19., 20. 11.), Daniel Barenboim (25., 26., 29. 11.) und Riccardo Muti (9., 10. 12.), der auch das Neujahrskonzert dirigiert. (Daniel Ender, 12.11.2017)