O. Meier, M. Feller, S. Christ, "Der Gurlitt-Komplex – Bern und die Raubkunst". € 46,99 / 408 Seiten. Chronos-Verlag, Zürich 2017

Buchcover: Chronos Verlag

Maurice Philip Remy, "Der Fall Gurlitt – Die wahre Geschichte über Deutschlands größten Kunstskandal". € 36,- / 600 Seiten. Europa-Verlag, München/Zürich/ Wien 2017

Buchcover: Europa Verlag

Bis heute werden in der NS-Zeit entzogene Kulturgüter weltweit in Privatbesitz verwahrt, vererbt und gehandelt. Deutschland ist keine Ausnahme und der Fall Gurlitt nur einer unter vielen. Die Bilder sind unter uns (Eichborn-Verlag) hieß 2009 Stefan Koldehoffs Bestandsaufnahme, die mit exemplarischen Causen das System der Entziehung und ihrer deutschen Akteure dokumentierte. 2014 erschien eine um den Fall Gurlitt ergänzte Fassung (Galiani-Verlag).

Die ersten dem Themenkomplex Gurlitt gewidmeten Publikationen erschienen 2016: Mit Gurlitts Schatz (Czernin-Verlag) beschäftigt sich Catherine Hickley abseits des Reißerischen mit dem Jahrhundertfund und "Hitlers Kunsthändler und seinem geheimen Erbe". Die Frage, ob Cornelius' Vater Hildebrand nun Täter oder Retter war, blieb ob Grauzonen teils unbeantwortet.

Meike Hoffmann und Nicola Kuhn legen eine da umfassende Biografie vor: Hitlers Kunsthändler – Hildebrand Gurlitt 1895–1957 (C.-H.-Beck-Verlag) schildert seine Laufbahn ungeschönt: vom Pionier der modernen Kunst in den 1920ern, dem Karriereknick, dem Aufstieg als Kollaborateur sowie Profiteur in der Zeit des Nationalsozialismus und zeitlich deutlich darüber hinaus.

Geschäft in Bern

Als Cornelius Gurlitt 2014 starb und seine Sammlung der Stiftung Kunstmuseum Bern vermachte, sorgte das Thema Raubkunst in der Schweiz für Diskussionen. Vor allem, da die Beziehungen der Familie Gurlitt zum Schweizer Kunsthandel enger waren als bekannt. Dazu erschien Der Gurlitt-Komplex (Chronos-Verlag), der über den Fall hinaus detaillierte Einblicke in zugehörige Geschäfte nach dem Zweiten Weltkrieg gewährt: etwa zum Aufstieg des in Bern noch aktiven Kunsthändlers Eberhard Kornfeld und seines verstorbenen deutschen Kollegen Roman Norbert Ketterer.

Die umfassendste "Autopsie" der Causa darf sich Maurice Philip Remy an die Fahnen heften: Der Fall Gurlitt – Die wahre Geschichte über Deutschlands größten Kunstskandal (Europaverlag) basiert auf jahrelanger Recherche in den Ermittlungsakten und der Sichtung des Nachlasses der Familie. Der Autor widerspricht anhand Privatkorrespondenz dem Vorwurf, dass sich Hildebrand Gurlitt an der Not jüdischer Mitbürger bereichert habe. Remy verweist aber auf die Rechtswidrigkeit der Beschlagnahme und enthüllt die Inszenierung eines NS-Raubkunstfalles. (Olga Kronsteiner, 12.11.2017)