Wien – Experten aus verschiedenen Bereichen schlagen Reformen im Gesundheitswesen vor. Diese Taskforce "Gesundheit neu denken" hat am Montag ein "Manifest" vorgestellt, mit dem sie u.a. die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung stärken, die Qualität steigern, die Versorgung chronisch Erkrankter verbessern, Rahmenbedingungen für Innovationen schaffen und Schnittstellen besser koordinieren will.

Zusammengefunden haben sich dafür u. a. Martin Gleitsmann (Wirtschaftskammer), Gerald Bachinger (Sprecher der Patientenanwälte), Thoma Czypionka (IHS), Michael Heinisch (Vinzenz Gruppe), Eva Höltl (Gesundheitszentrum Erste Group) und Bernhard Rupp (Arbeiterkammer Niederösterreich). Anlass für ihre Überlegungen war, dass die hochqualitative medizinische Versorgung nicht mehr für alle dauerhaft gewährleistet und das System "nicht mehr leistungsfähig" sei, wie Gleitsmann ausführte.

Der Leiter der sozialpolitischen Abteilung in der Wirtschaftskammer verwies darauf, dass die Zahl der gesunden Lebensjahre – auch im internationalen Vergleich – nicht im gleichen Ausmaß wie die Lebenserwartung steigt. Die Österreicher befürchten ein Ansteigen der persönlichen Ausgaben für Gesundheit und längere Wartezeiten. Die Zahl der Wahlärzte ist seit 2005 um 43 Prozent gestiegen, die Zahl der Kassenärzte stagniert hingegen. Deshalb verlagere sich der Schwerpunkt immer mehr zur Privatmedizin. Gleitsmann betonte dazu, dass die Erstellung des Manifests nichts mit den Koalitionsverhandlungen zu tun habe, man die Vorschläge aber gerne zur Verfügung stellen würde. Die zuletzt umgesetzte Gesundheitsreform mit der Einführung der Zielsteuerung dauert nach Ansicht Gleitsmanns zu lang in der Umsetzung und greift vielleicht auch zu kurz.

Kulturwandel hin zu mehr Eigenverantwortlichkeit

Bachinger hält einen "Kulturwandel" hin zu mehr Eigenverantwortlichkeit der Patienten für nötig. Dabei dürfe man den Bürger aber nicht allein lassen und müsse ihm die nötigen Werkzeuge dafür in die Hand geben. Ein Ansatz dafür ist für den Patientenanwalt eine Stärkung der Gesundheitskompetenz. Menschen mit zu wenig Kompetenz seien auch weniger gesund und sterben früher. Informationen müssten zielgruppengerecht aufbereitet werden und die Kompetenz müsse bereits in den Kindergärten und Schulen gestärkt werden. Den Mutter-Kind-Pass will Bachinger zu einem Eltern-Kind-Pass ausweiten. Insgesamt drängt der Patientenanwalt darauf, den Blick verstärkt auf neue Herausforderungen, wie neue Krankheiten und die Prävention zu legen.

Um die Qualität im System zu verbessern, fordert Czypionka die Schaffung eines Pools von Gesundheitsdaten. Man müsse "die Daten nutzen statt verwalten". Es gehe darum, die vorhandenen Daten auszuwerten, um daraus die nötigen Lehren zu ziehen und sie als Grundlage für Entscheidungen zu verwenden. Konkret schlägt er auch einen "Experimentierparagrafen" vor. Für innovative Forschungsmodelle, die dem Gesundheitssystem zu Gute kommen, sollen mit einem Gesetz für die Testphase bestimmte Regulierungen außer Kraft gesetzt werden können. "Experimentieren statt analysieren" ist hier die Devise.

Enthalten ist auch in diesem Papier die schon von vielen geforderte aber an der Zersplitterung des Systems gescheiterte Finanzierung und Steuerung aus einer Hand. Auch die Stärkung des niedergelassenen Bereichs und eine sinnvolle Koordinierung mit dem stationären Bereich wird neuerlich gefordert. Gestärkt sollte auch die Versorgung chronisch Kranker werden. 2,6 Millionen Österreicher haben chronische Gesundheitsprobleme, sie verursachen bis zu 80 Prozent der Kosten. Höltl forderte daher sicherzustellen, dass nicht nur völlig gesunde Arbeitnehmer am Erwerbsleben teilnehmen können.