Bild nicht mehr verfügbar.

Gian Piero Ventura und Gianluigi Buffon spenden einander nach dem Debakel von San Siro Trost.

Foto: ap/bruno

Verzweiflung herrschte in den Lokalitäten quer über den Stiefel anlässlich des WM-Aus der Nationalmannschaft.

Foto: APA/AFP/CRUCIATTI

Rom/Mailand – Noch ist Gian Piero Ventura nicht zurückgetreten. Doch die Demission des 69-Jährigen ist nach dem Scheitern der italienischen Nationalmannschaft in der Qualifikation für die WM in Russland alternativlos. "Ich trete nicht zurück, weil ich noch nicht mit dem Präsidenten gesprochen habe. Es gibt zahlreiche Überlegungen", sagte Ventura laut der Nachrichtenagentur Ansa nach dem 0:0 im Playoff-Rückspiel gegen Schweden Montagnacht. "Ich fühle mich danach, mich bei den Italienern zu entschuldigen, für das Ergebnis, nicht für unsere Anstrengungen."

Venturas Chef Carlo Tavecchio, der Präsident des Fußballverbands FIGC, wollte sich 48 Stunden Bedenkzeit nehmen und erst dann über Konsequenzen entscheiden. Erstmals seit 60 Jahren muss Italien bei einer WM zuschauen. Ironie des Schicksals: Die Endrunde 1958 hatte in Schweden stattgehabt, nun erwies sich die Elf jenes Landes als Sargnagel für die Azzurri. "Wir sind zutiefst betrübt und enttäuscht wegen der verpassten WM-Qualifikation, das ist ein sportlicher Misserfolg, der eine gemeinsame Lösung braucht", sagte der 74-jährige Tavecchio, der nun wohl selbst in die Schusslinie der Kritiker geraten dürfte, am Tag danach. Für Mittwoch habe er eine Sitzung des Verbands einberufen, um eine gründliche Analyse vorzunehmen und Entscheidungen für die Zukunft zu treffen.

Kein heiterer Himmel

Ventura hatte nach der EM 2016 die Nachfolge von Antonio Conte angetreten, erst im August war sein Vertrag verlängert worden, er sollte Italien bis zur Europameisterschaft 2020 führen. Nun bleibt es bei 16 Spielen auf der Bank der Squadra, von denen – bei vier Remis – neun gewonnen und drei verloren wurden. Bereits in der Qualifikation konnte sein Italien nicht überzeugen. In der Gruppe G war gegen Spanien kein Kraut gewachsen, der vierfache Weltmeister mühte sich gegen Albanien, Israel und Mazedonien zu knappen Siegen, musste sich gegen den Gegner vom Balkan zu Hause mit einem Remis abfinden.

Das Scheitern an Schweden fiel also beileibe nicht vom heiteren Himmel. War Venturas Elf beim Hinspiel in Solna (0:1) bieder bis planlos aufgetreten, zeigte sich Italien in Mailands San Siro deutlich verbessert. 75 Prozent Ballbesitz und 23 Torschüsse (im Vergleich zu Schwedens vier) untermauern die Überlegenheit der Gastgeber auch statistisch. Verantwortlich dafür war in erster Linie die Kreativität Jorginhos, des Mittelfeldspielers des SSC Napoli, für den Ventura trotz seiner beeindruckenden Auftritte in der Serie A bis zuletzt keinen Platz im Aufgebot gefunden hatte.

Ein Treffer gegen die heroisch kämpfenden Skandinavier gelang trotzdem nicht, zu gut stand die Defensive um Mikael Lustig, Victor Lindelöf, Kapitän Andreas Granqvist und Ludwig Augustinsson. Keeper Robin Olsen wurde kaum einmal ernsthaft auf die Probe gestellt. "Wir hatten kein anderes Mittel, als dichtzumachen und darauf zu hoffen, dass wir durchhalten", meinte Schwedens Teamchef Jan Andersson.

Ein Neuer für den Wiederaufbau

Während Andersson seine Mannschaft im kommenden Sommer nach Russland führen wird, spekuliert Italien nun über den Nachfolger Venturas. Genannt wird Carlo Ancelotti, der nach seiner Entlassung bei Bayern München sofort zur Verfügung stünde. Massimiliano Allegri (Juventus) und Roberto Mancini (Zenit St. Petersburg) müssten erst eine Übereinkunft mit ihren Klubs finden. Auch eine Rückkehr Contes, der in London nicht mehr ganz glücklich zu sein scheint, ist nicht ausgeschlossen. Wie der neue Mister aber auch immer heißen mag, er muss einen Neuaufbau leisten.

Neben Gianluigi Buffon, Giorgio Chiellini ("Wir müssen Schweden gratulieren") und Andrea Barzagli ("Ich hoffe, die Jungen können das Heft nun in die Hand nehmen") gab von der alten Garde auch Daniele de Rossi bereits seinen Rücktritt aus der Squadra bekannt. Der Mittelfeldkämpfer der AS Roma hatte in der zweiten Halbzeit das Aufwärmen verweigert: "Ich wollte, dass sie Offensivleute bringen." Wutentbrannt deutete de Rossi in Richtung von Lorenzo Insigne: Der Napoli-Stürmer, der in Solna wenigstens in den letzten Minuten mitwirken durfte, kam in Mailand jedoch nicht zum Zug.

Nach dem Schlusspfiff habe eine Atmosphäre wie bei einem Begräbnis geherrscht, berichtete der 34-jährige de Rossi. "Es ist ein dunkler Moment für unseren Fußball. Neben allem, was taktisch, technisch oder körperlich falsch gelaufen ist – wir haben es einfach nicht verdient, uns zu qualifizieren." (Michael Robausch, 14.11.2017)