Eine Stellenanzeige der US-Weltraumbehörde Nasa ging vergangenen August um die Welt: Gesucht wurde ein neuer "Planetary Protection Officer", also so etwas wie ein "Beauftragter für planetaren Schutz". Unter großem medialen Getöse gingen zahlreiche Bewerbungen für den spektakulär klingenden Job ein, darunter auch die eines neunjährigen Buben, der es nicht an Argumenten für seine Eignung mangeln ließ: Er habe fast alle Filme über Außerirdische gesehen, außerdem sei er noch jung und könne lernen, selbst wie ein Alien zu denken.

Die Nasa antwortete ihm prompt und riet ihm, fleißig in der Schule zu sein und sich wieder zu melden. Wer beim Stichwort Planetary Protection an die Verteidigung der Erde gegen Angriffe aus dem All denkt, liegt falsch. Mit Missionen zur wissenschaftlichen Erforschung von extraterrestrischem Leben hat der planetare Schutz hingegen viel zu tun. "Im Prinzip geht es darum, eine biologische Kontaminationskontrolle in der Raumfahrt zu haben: für alles, was wir in den Weltraum rausschicken, und auch für alles, was wir von anderen Himmelskörpern zurückbringen", sagt Gerhard Kminek. Der Österreicher ist seit 2004 Planetary Protection Officer der Europäischen Weltraumorganisation Esa in den Niederlanden und in alle relevanten Missionen involviert.

Der Saubermann: Gerhard Kminek ist als Planetary Protection Officer der Esa für alle Maßnahmen zum Schutz vor biologischer Kontamination zuständig.
Foto: Esa/Anneke Le'Floch

Rechtliche Regelung

Der Begriff "planetarer Schutz" ist für die Aufgaben, die Kminek verantwortet, nicht ganz exakt: In den meisten Fällen geht es nicht um den Schutz der Erde vor fremden Organismen, sondern darum zu verhindern, dass irdische Mikroben auf andere Planeten, Monde oder sonstige Objekte gelangen, die für wissenschaftliche Untersuchungen von Interesse sein könnten. "Wenn wir irgendwo hinfliegen und nach Leben oder der Vorstufe davon suchen, wollen wir ja nichts finden, was wir von der Erde mitbringen", so der Physiker und Ozeanologe, der sich schon seit Jahrzehnten mit Fragen zu biologischer Kontamination beschäftigt. Die grundsätzliche Verpflichtung zu Maßnahmen, die eine Verunreinigung anderer Himmelskörper verhindern sollen, ist rechtlich verankert: Sie wurde 1967 im Artikel IX des Weltraumvertrags der Vereinten Nationen festgeschrieben.

Die genauen Richtlinien und Standards wurden seither laufend weiterentwickelt, an neue Entdeckungen und technische Möglichkeiten angepasst. Je ambitionierter die Raumfahrtmissionen, desto komplexer werden auch die Anforderungen für den Schutz vor blinden Mikropassagieren. Im Sonnensystem erscheinen derzeit drei Objekte für die Suche nach einstigem oder gar aktuellem Leben besonders interessant: der Mars, der Jupitermond Europa und der Saturnmond Enceladus.

Der Marslander Schiaparelli der Esa-Mission ExoMars in einem mobilen Reinraum in Cannes. Das Modul stürzte 2016 auf den Roten Planeten – doch immerhin war es sauber.
Foto: Esa/Boris Bethge

Komplexe Missionen

Die Esa will deshalb 2021 mit ExoMars einen Rover auf den Roten Planeten bringen, künftige Missionen zur Rückholung von Bodenproben zur Erde sind gemeinsam mit der Nasa in Planung. Auch Landungen auf den beiden Monden sind angedacht. Wie sieht bei solchen Unternehmungen die Aufgabe eines Planetary Protection Officers aus? "Man ist von der Planungsphase bis zum Ende einer Mission involviert", sagt Kminek. Zunächst gehe es um eine beratende Rolle: Je nachdem, welche konkreten Ziele eine Mission verfolgt und welche Flugbahn sie nimmt, gibt es genaue Richtlinien für die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen. "Das fängt bei simpler Dokumentation an und reicht bis zur peniblen Kontrolle biologischer Kontamination des Raumfahrzeuges in speziellen Reinräumen."

Daneben müssen je nach Route auch Maßnahmen getroffen werden, die verhindern, dass es zu Abstürzen auf bestimmten Himmelskörpern kommen könnte. "Da muss man Analysen machen und schauen, ob es Probleme geben könnte – etwa, wenn es zu Mikrometeoriteneinschlägen am Raumfahrzeug kommt." Ist eine Landung auf einem aussichtsreichen Himmelskörper wie dem Mars geplant, muss schon die Herstellung der einzelnen Bauteile eines Raumfahrzeugs unter genau kontrollierten Bedingungen stattfinden. Für die meisten Missionen werden dafür eigene Reinräume gebaut, in denen nur in speziellen Ganzkörperanzügen gearbeitet werden darf.

Die letzten Arbeiten am Marslander Schiaparelli fanden unter reinst- möglichen Bedingungen statt. Die Verpflichtung zum Schutz des Mars vor irdischen Mikroben ist rechtlich bindend.
Foto: Esa/Thales Alenia Space

Strenge Sterilität

Kminek ist in dieser Phase unter anderem für die Ausbildung der Forscher und Ingenieure zuständig, die unter diesen Bedingungen tätig sind, und führt Kontrollen durch. Die Reinräume werden täglich chemisch gereinigt, die gefertigten Teile mitunter auch sterilisiert. Kminek: "Das erfolgt meist mit Lösungsmitteln und trockener Hitze, manchmal auch mit Gas wie zum Beispiel Wasserstoffperoxid."

Je nach notwendigem Reinheitsgrad werden die Teile unter Überdruck in sterile Behältnisse eingeschlossen, das fertige Raumfahrzeug kommt dann in einen mit Filtersystemen ausgestatteten Container. Am Startplatz werden auch spezielle Vorkehrungen getroffen: Dort wird ein Reinheitszelt innerhalb des Reinraums aufgebaut, in dem der Container geöffnet und das Raumfahrzeug noch einmal kontrolliert wird, ehe es unter größter Vorsicht in die – ebenfalls gereinigte – Spitze der Rakete kommt. Sind Probenrückführungen geplant, kann es je nach Zielobjekt besonders herausfordernd werden.

Flexibilität bis zum Schluss

Neben der Kontaminationsgefahr des fremden Himmelskörpers muss umgekehrt auch ausgeschlossen werden, dass potenzielle außerirdische Lebensformen beim Rücktransport die Erde erreichen und in die Biosphäre gelangen könnten. "Da müssen wir dann auch mit anderen Behörden zusammenarbeiten, etwa mit Umweltschutz-, Agrar- und Gesundheitsbehörden. Für eine Marsmission mit Probenrückführung haben wir diesen Prozess schon begonnen, wir haben schon seit Jahren Experten verschiedener Behörden bei den Diskussionen dabei", sagt Kminek.

Ein aktuelles Beispiel dafür, dass die Arbeit eines Planetary Protection Officers auch ohne Rücktransporte mit dem Start der Rakete noch nicht vorbei ist, ist die Nasa-Mission Cassini: Nach 13 Jahren Forschungsarbeit stürzte die Raumsonde im September nicht zufällig in die Atmosphäre des Saturns. Sie wurde mit den letzten Treibstoffreserven in den Ringplaneten gesteuert, um keinen hypothetischen Absturz auf den Saturnmond Enceladus zu riskieren. Dass dieser Mond Leben beherbergen könnte, hatte man bei der Missionsplanung noch nicht einmal geahnt. (David Rennert, 8.1.2018)