Einlass in das historische Mission Control Center: Die alte Bodenstation der amerikanischen Weltraumbehörde Nasa in Houston, Texas hat etwas Ikonografisches. Zwischen den museal wirkenden Computern waren hier in der Vergangenheit Sätze zu hören, die mittlerweile Einzug in die Popgeschichte gehalten haben. Zum Beispiel: "Houston, Tranquility Base here. The Eagle has landed." Mit diesem Funkspruch wurde am 20. Juli 1969 verkündet, dass Neil Armstrong und Buzz Aldrin mit dem Lander der Apollo-11-Mission erfolgreich auf dem Mond aufgesetzt hatten. Auch an einen anderen Satz muss man sich hier zwangsläufig erinnern: "Houston, we've had a problem." Damit beschrieb Kommandant Jim Lovell die Lage an Bord der Apollo-13-Mission im April 1970, nachdem ein Sauerstofftank explodiert war.

Die Internationale Raumstation ISS, das Megaprojekt mit Ablaufdatum.
Foto: Nasa

Heute wird dieses geschichtsträchtige Mission Control Center nur geöffnet, um Besuchern ein Gefühl von der einstigen Atmosphäre zu geben. Man spürt ja förmlich die Betriebsamkeit der Ingenieure, hört vielleicht die Funkdurchsagen, kann sich jedenfalls gut vorstellen, wie die Stimmung bei Erfolgen und in Krisensituationen war. Bis Mitte der 1990er-Jahre war das Zentrum in Betrieb, seither gibt es eine neue Bodenstation, von der aus alle Weltraumflüge der Nasa begleitet werden – natürlich auch alle Manöver rund um die Internationale Raumstation (International Space Station, ISS), die von der amerikanischen, der europäischen, der kanadischen, der japanischen und der russischen Weltraumbehörde betrieben wird.

Ein Zutritt zu diesem Mission Control Center ist leider nicht gestattet, die Nasa hat aber für Besucher einen dem Original nachgebauten Ausstellungsraum eingerichtet – mit Live-Bildern von der ISS. Am 5. Oktober 2017, dem Tag dieses Besuchs aus Österreich, waren da Reparaturarbeiten an einem Roboterarm im Gange, eine "extravehicular activity" (EVA) mit zwei Astronauten. Als laienhafter Beobachter konnte man sich nur wundern, wie es den Raumfahrern gelang, diese Operation durchzuführen. "Pretty critical", wie Joel R. Montalbano, Deputy Program Manager der Nasa, später meint.

Die erste Apollo-Landung am Mond.
NASA2007

Ground control to Major Tom: Was du hier machst, beeindruckt uns. In den USA hat man tatsächlich größten Respekt vor der Arbeit von Astronauten und Astronautinnen. Sie sind die Helden dieser technologisch gesteuerten Exploration, die ersten, die mutigsten, die klügsten Menschen, nicht nur, aber auch, weil sie sich den Weg von der Erde ins All zutrauen. Das Image ist natürlich nicht nur durch Erfolge wie die Landung auf dem Mond entstanden. Auch Tragödien haben dazu beigetragen.

Ein Symbol vergangener Raumfahrerzeiten erinnert daran: Auf dem 655 Hektar großen Gelände hier in Houston thront ein nachgebautes Spaceshuttle auf einer jener umgebauten Boeing-Maschinen, die zum Rücktransport der Weltraumfähre benutzt wurden. Man kann sich ja noch an die Fotos erinnern, die zeigten, wie das Flugzeug die Shuttles huckepack nahm. Da gab es aber auch jene Explosion im Jahr 1986, die alle sechs Crewmitglieder des Spaceshuttles Challenger in den Tod riss. 2003 brach die Raumfähre Columbia beim Landeanflug auseinander. Wieder starben die Astronauten.

Rückkehr zur bemannten Raumfahrt

Nun freut man sich auf die Rückkehr zur bemannten Raumfahrt. An diesem Tag im Oktober war das Thema in Houston omnipräsent: Der amerikanische Vizepräsident Mike Pence hielt als Vorsitzender des National Space Council eine Rede über die bemannte Raumfahrt. Besucher des Space Center konnten das über Fernsehschirme mitverfolgen. Pence betonte dabei, die USA wieder zum wichtigsten Land in Sachen Weltraum machen zu wollen. Man müsse wieder zum Mond fliegen, forderte er, und ergänzte mit dem nötigen Pathos: nicht nur, um Fußabdrücke und Fahnen zu hinterlassen, sondern auch um eine Zwischenstation auf dem Weg zum Mars und darüber hinaus zu errichten. Eine Art Gateway, wie Montalbano bestätigt. Dass Pence damit den Erkenntnisgewinn über mögliche Lebensformen auf dem Mars antreiben will, darf getrost bezweifelt werden. Ihm geht es mit Sicherheit vor allem um die Rolle der USA in Phasen der Exploration.

Ein Tor zu dieser neuen Welt könnte sich für die Nasa nach dem prognostizierten Ende der ISS im Jahr 2024 öffnen: Die Behörde zieht ernsthaft in Erwägung, eine Art Haltestelle auf dem Erdtrabanten zu bauen, die den Weg zum Mars erleichtern könnte. Dafür bräuchte es aber vor allem medizinische Versorgung. Derzeit könne man im Notfall von überall in der westlichen Welt in spätestens drei Stunden zu einem Arzt kommen. "Vom Mond aus bräuchte man sechs Tage", sagt Montalbano. Das ist natürlich zu lange.

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US-Vizepräsident Mike Pence will die USA wieder zum wichtigsten Land in Sachen Weltraum machen.
Foto: AP

Eine Reise zum Mars sei nicht vor den 2030er-Jahren möglich, betont der Experte. Davor gebe es noch zahllose technische Fragen zu klären. Eine der einfachsten: Ein Funkspruch würde eine gute Dreiviertelstunde brauchen, bis er auf der Erde ankommt. Montalbano mit Ironie: "Auf einen Satz wie 'Houston, wir haben ein Problem' könnten wir dann zwar reagieren, aber es wäre vielleicht zu spät." Entscheidend sei, welchen körperlichen und psychischen Belastungen die Astronauten bei einem Flug zum Mars ausgesetzt seien.

Auftreten und umfallen

Dazu muss man wissen: Die Zirkulation des Blutes ist im All auf jeden Fall gestört. Es kommt zum Blutstau im Kopf. Astronauten klagen daher über Kopfschmerzen. Medizinische Tests haben außerdem gezeigt, dass man im All Muskelzellen abbaut, weil sie nicht beansprucht werden: Der Mensch wiegt ja in dieser Ausnahmesituation der Schwerelosigkeit nichts. Betroffen sind daher jene Muskelpartien, die zum Gehen oder zum Aufstehen verwendet werden. Schließlich kommt es aufgrund einer Entmineralisierung auch zu Knochenschwund. Astronauten müssen nach der Landung auf der Erde weggetragen werden. Sie würden sonst beim Auftreten umfallen.

Derzeit, sagt Montalbano, sind Raumfahrer etwa sechs Monate auf der ISS. Dann reicht es aber auch. Die Reise zum Mars würde inklusive Aufenthalt und Rückkehr deutlich länger dauern. Man schätzt: zwei Jahre. Wie könnte man also den psychischen Belastungsfaktoren begegnen, die während des Abenteuers auftreten? Kaum Freiraum fern von Natur und der Familie auf der Erde. Auf der ISS freuen sich Astronauten vor allem über das Essen, sagt Montalbano. Aber ob das auch bei der Langzeitmission Mars ein Mittel gegen seelische Tiefs wäre?

Astronautentraining unter Wasser.
Foto: Nasa

Das Besuchsprogramm ist dicht gedrängt, die nächste Station ist der Astronauten-Swimmingpool. Er hat natürlich ganz andere Dimensionen als ein gewöhnlicher Pool im Schwimmbad. 202 Fuß Länge, das sind etwa 62 Meter. In einer Tiefe von etwa 40 Fuß (zwölf Meter) liegt eine Nachbildung der Internationalen Raumstation. Astronauten im Raumfahreranzug üben hier unter Wasser die Bewegungen während eines durchschnittlich sechs Stunden dauernden Außenbordeinsatzes.

Über Bildschirme kann man die von Tauchern begleiteten Trainingsaktivitäten beobachten. Tauchlehrer erzählen, was genau im Moment passiert. An vielen Geräten steht, dass man sie nicht berühren soll – auch am Modell des Raumschiffs Orion, das in einer nahe gelegenen Fabrikshalle steht: "Don't touch!" Vizepräsident Mike Pence hat das im Sommer ignoriert, die Außenschale der Kapsel berührt und einige Aufregung in Social-Media-Foren verursacht. Orion soll für künftige bemannte Missionen genutzt werden.

Paranoia im Kino

Während die Besucher weiterspazieren, spricht man über Hollywoods Zugang zur Raumfahrt. Nasa-Mitarbeiter zeigen sich amüsiert. Über die Angst vor Aliens, jene Paranoia, die in aktuellen Science-Fiction-Filmen vorherrscht, können sie nicht wirklich etwas sagen. Das sei vermutlich eine "Modeerscheinung". Life zum Beispiel erzählt von der Crew der ISS und ihrer großen Freude, als sie eine außerirdische Lebensform entdecken. Sie ahnen noch nicht, dass diese heranwachsen und recht gefräßig werden wird. Eine recht schauerliche Geschichte, an deren Ende auch die ISS zerstört wird.

"Ich habe den Film noch nicht gesehen", sagt ein Nasa-Manager. Er könne also auch nicht sagen, ob auch nur irgendetwas daran realistisch sei. Er wisse nur, dass Astronautinnen über den Weltraumthriller Gravity mit George Clooney und Sandra Bullock gelästert haben. Die Hauptdarstellerin habe nach jedem Außenbordeinsatz ausgeschaut wie ein frisch gestyltes Model. "Das hätten wir auch gern geschafft", sollen die Damen gesagt haben.

Aber für das Image der Raumfahrt muss es das vielleicht geben: nicht nur Heldengeschichten aus der Vergangenheit, sondern auch Mythenbildungen im Kino. (Peter Illetschko, 6.12.2017)