Immanuel Kant (1724-1804) beschäftigte sich im 18. Jahrhundert mit Außerirdischen.

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Die Arbeitsbedingungen von Exoplanetenforschern, Alienjägern und anderen Astronomen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verbessert: Vorbei sind die Zeiten, als sie vor Abendanbruch Berggipfel erklommen und die Nacht hindurch pausenlos die Instrumente ausrichteten, ohne Heizung oder Toilette. Heute können Astronomen ihre Arbeit zu Bürozeiten am Uni-Schreibtisch erledigen – Glasfaserkabel und Computeraufzeichnungen sei Dank.

Es könnte aber auch noch, zumindest in mancherlei Hinsicht, viel einfacher gehen; in anderer Hinsicht allerdings noch schwieriger, nämlich gänzlich ohne Beobachtungsinstrumente und aufwendigen Observatorienbetrieb – wie das Beispiel des Philosophen Immanuel Kant zeigt. Denn Kant, der seinen Heimatort Königsberg, damals Preußen, heute die russische Stadt Kaliningrad, kaum je verlassen hatte, bot nicht nur lebhafte Beschreibungen von Ländern, die er nie besucht hatte, sondern stellte sich in einer Schrift von 1755 auch die Frage nach Lebewesen fern der Erde. Es war Kants vorkritische Phase – sein Opus magnum, die "Kritik der reinen Vernunft", sollte erst knapp 30 Jahre danach erscheinen.

Mensch als Bezugspunkt

Der Titel, unter den er seine Begegnung mit Aliens stellte, lautet "Von den Bewohnern der Gestirne", und gleich zu Beginn bemüht sich Kant inständig, den Vorwurf abzuwenden, dass bei Überlegungen zu den Bewohnern entlegener Welten "die Freiheit zu erdichten keine eigentlichen Schranken habe" beziehungsweise "der Phantasie den Zügel schießen lassen könne". Denn sehr wohl könne etwa die Entfernung der Himmelskörper von der Sonne "gewisse Verhältnisse mit sich führen, welche einen wesentlichen Einfluss in die Eigenschaften der denkenden Naturen nach sich ziehen, die auf denselben befindlich sind" – mit derlei Argumenten tritt Kant der zügellosen Fantasie entschieden kraft der Vernunft entgegen.

Zum Bezugspunkt für seine Überlegungen zu außerirdischer Intelligenz zieht Kant den Menschen heran, und das ist wohlbegründet, ist er doch "unter allen vernünftigen Wesen dasjenige, welches wir am deutlichsten kennen, ob uns gleich seine innere Beschaffenheit noch ein unerforschtes Problem ist". Kants gedankliche Begegnung mit Aliens ließ ihn schließlich einen allgemeinen Leitsatz zu deren Beschaffenheit aufstellen, der da lautet: "Der Stoff, woraus die Einwohner verschiedener Planeten, ja sogar die Tiere und Gewächse auf denselben, gebildet sein, muss umso leichterer und feinerer Art, und die Elastizität der Fasern, samt der vorteilhaften Anlage ihres Baues, umso vollkommener sein, nach dem Maße als sie weiter von der Sonne abstehen."

Unter den möglichen Formen von Intelligenz in unserem Universum kommt dem Menschen also ein Mittelmaß zu, wodurch sich Kant doch noch aufs Glatteis der Fantasie führen lässt und die Frage aufwirft: Sind die Erdbewohner die Einzigen, die sich zur Sünde hinreißen lassen? Kaum ist die Frage ausgesprochen, weiß Kant sie auch schon selbst zu beantworten – und zwar mit Ja. Den einzigen Trost, den er in dieser unglücklichen Einsicht anzubieten hat: "Die Marsianer könnten ähnlich sündhaft sein wie wir." (Tanja Traxler, 15.1.2018)