Guter Bohneneintopf ist Gemütlichkeit in einer Schüssel, Wohlfühlen zum Löffeln, das Dinner-Äquivalent zu Kaminfeuer mit Bärenfell. Das Glücksgefühl, das er beschert, beschränkt sich nicht nur auf die Zeit des Essens: Weil es Stunden dauert, guten Bohneneintopf zuzubereiten, genießt der Koch (und seine Mitbewohner) den ganzen Nachmittag lang den Duft nach gebratenem Speck, gerösteten Zwiebeln, weichen Bohnen und geschmortem Knoblauch. Wer keine gute Lüftung hat, darf sich gleich mehrere Tage lang daran erfreuen.

Foto: Tobias müller

Gute Bohnen sorgen mit ihrem Stärkegehalt dafür, dass die Sauce wunderbar sämig wird, und richtig gegart (und ausgewählt) haben sie eine fabelhafte, halb cremige, halb bissfeste Konsistenz. Ihr dezenter Eigengeschmack, irgendwo zwischen Pilz und Nuss, ist für sich genommen schon sehr fein, vor allem aber lassen Bohnen sich fantastisch würzen. Sie saugen Aromen auf, ähnlich wie Risotto-Reis, und verpassen ihnen den nötigen Unterbau.

Ich bin dank einer kleinen Recherchereise in den Norden Bosniens wieder vermehrt in den Genuss von Bohneneintopf gekommen. Wer dort über die schönen Märkte spaziert, sieht neben Unmengen frischer Milchprodukte wie Kajmak und Frischkäse, mächtigen Krauthäupteln und ebensolchen Speckseiten auch eine erstaunliche Bohnenvielfalt: Spezialisierte Marktstände bieten sie in verschiedensten Arten, Größen, Farben und sogar Jahrgängen an.

Bohnenkönigin

Die Königin der serbisch-bosnischen Bohne, hat mir Mile erklärt – mein wunderbarer Guide und Ajvar-Lehrer –, ist die Domaći Kuruzar, die Kukuruz-Bohne. Sie verdankt ihren Namen der Tatsache, dass sie auf Maisstauden rankt und vor den Kolben geerntet wird. Sie ist rotbraun, mittelgroß und klassisch nierenförmig, die guten Exemplare klingen wie Murmeln, wenn man sie in den Händen schüttelt. Auf dem Markt in Banja Luka wird sie für dortige Verhältnisse erstaunlich teuer gehandelt: Ein Kilo der heurigen Ernte kostet rund sieben Euro. Zum Vergleich: Das ist doppelt so viel wie eine große Portion Ćevapčići. Wir haben trotzdem zugeschlagen und zwei Kilo mitgenommen.

Foto: Tobias müller

Die Bohne, ob mit oder ohne Kukuruz gewachsen, ist eine außergewöhnliche Pflanze: So wie alle Hülsenfrüchte lebt sie in Symbiose mit bestimmten Bakterienkulturen, die ihr helfen, ihren Früchten einen ganz ungewöhnlich hohen Eiweißanteil zu verpassen – bis zu 25 Prozent, mehr als die allermeisten nicht tierischen Zutaten. Gleichzeitig sorgen diese Bakterien dafür, dass sich im Boden Stickstoff anreichert: Hülsenfrüchte werden daher immer schon als Zwischenfrucht und Gründüngung angebaut und sind wesentlicher Bestandteil einer nachhaltigen Landwirtschaft ohne Kunstdünger.

Mit viel Geduld

Während jeder Kontinent seine eigenen, speziellen Getreide- bzw. Grasarten isst – Weizen und Roggen in Europa. Mais in Amerika, Reis in Asien –, verbindet die Bohne sie alle, wie der Essenshistoriker Ken Albala in seinem schönen Buch "Beans – a History" schreibt. Wer sich kein Fleisch leisten konnte – die meisten Menschen, den Großteil unserer Geschichte –, war auf Bohnen als Eiweißquelle angewiesen. Wie wichtig Bohnen etwa für die Römer waren, zeigt sich daran, dass vier der wichtigsten römischen Familien nach den damals bekannten Hülsenfrüchten benannt sind: Fabius (von der Favabohne), Lentulus (von der Linse), Piso (von der Erbse) und Cicero (von der Kichererbse).

Zurück in Wien habe ich einen Teil meiner Kukuruz-Bohnen zu einem serbisch inspirierten Bohneneintopf geschmort – inspiriert, weil ich mich nicht an ein klassisches Rezept gehalten, sondern es ein wenig angepasst habe. Üblicherweise werden die Bohnen um Banja Luka schlicht mit etwas geräucherten Schweinsripperln oder Ohren gekocht, mit Paprikapulver gewürzt und dann recht suppig serviert. Ich habe stattdessen auf eine schärfere Variante mit frischen scharfen Paprika und Speck gesetzt und die Basis mit etwas Tomaten- und Fischsauce aufgemotzt. Die Tomatensauce sorgt mit ihrer Säure dafür, dass die Bohnen bei sehr langer Garzeit nicht zu weich werden. Der Rest ist einfach Geduld und sehr viel Knoblauch und Zwiebel.

Einer von vielen möglichen Bohneneintöpfen

Zuerst die Bohnen kochen: mit mindestens fünf Zentimeter Wasser bedecken, zum Sieden bringen und so lange köcheln lassen, bis sie noch bissfest und schon cremig sind, etwa eine Stunde. Abseihen, das Kochwasser aufheben und Bohnen und Wasser für später zur Seite stellen. Wer die Bohnen vorher einweicht, wartet kürzer. Ich habe für vier Personen ein halbes Kilo trockene Bohnen genommen In Bosnien/Serbien werden sie traditionell einmal aufgekocht, und das erste Aufkochwasser wird weggekippt, das soll gegen spätere Blähungen helfen. Die kommen von für Menschen unverdaulichen Kohlehydraten, die erst in unserem unteren Darm von Bakterien zerlegt und in Gase umgewandelt werden. Das Aufkochen und Wegkippen des Wassers entfernt manche der blähenden Stoffe, es entfernt allerdings auch Geschmack. Simples sehr langes Garen wie in diesem Rezept macht Bohnen ebenfalls verdaulicher, weil die blähenden Bestandteile bei langer Hitze zerfallen.

Foto: Tobias müller

Geräucherten Speck (etwa von hier) in circa ein Zentimeter dicke Scheiben schneiden. Etwas Fett in einem Bräter über niedriger Hitze schmelzen (Falls Sie noch etwas Enten- oder von mir aus auch Gänsefett übrig haben: Das ist ein hervorragender Moment, es hervorzuholen) und den Speck darin beidseitig braten, bis er knusprig und tiefbraun ist. Herausheben, in Streifen schneiden und zur Seite stellen.

Foto: Tobias müller

Drei Zwiebeln halbieren und in Scheiben schneiden, eine Karotte reiben und mehrere mehr oder weniger scharfe Pfefferoni oder Paprika entkernen, halbieren und schneiden. Dann das Gemüse in dem heißen Enten-Speck-Fett braten, bis es zusammengefallen und glasig ist, etwa zehn Minuten und gern auch etwas länger.

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Muße und Sorgfalt bei diesem Schritt sorgt später für besseren Geschmack. Mit einem kräftigen Schuss Weißwein und/oder einem Schuss Shaoxing Wein deglacieren und die Flüssigkeit verdampfen lassen. Den Schritt gern dreimal wiederholen. Ich nehme zweimal Weiß-, einmal Reiswein.

Das Backrohr auf 180 Grad vorheizen. Ein, zwei noch übrige Tomaten oder eine Dose Tomaten – muss nicht viel sein, es geht mehr um die Würze und Säure – dazugeben, mit einem ordentlichen Schuss Fischsauce würzen und wieder fünf bis zehn Minuten einkochen lassen.

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Die Bohnen und den Speck in die Sauce geben und gut durchmischen. Wer hat, der gießt ein wenig Zungen-, Schweinsfuß- oder sonstigen Fond (Alter, aber guter Trick: Fond in Eiswürfelbehältern einfrieren, macht das Portionieren viel leichter), dann mit so viel Bohnenkochwasser aufgießen, dass die Bohnen gerade bedeckt sind.

Eine Knolle Knoblauch halbieren und in die Bohnen stecken, dann nach Belieben fertig würzen. In meinem Fall hieß das: drei Lorbeerblätter, eine Handvoll Petersil, einige Zweige Thymian und etwas getrocknetes Sauerkraut (siehe hier). Ein Schuss Essig tut's natürlich auch.

Foto: Tobias müller

Deckel drauf, ins Rohr und anderthalb bis zwei Stunden backen bzw. bis die Sauce eingekocht und sämig ist. Den Deckel abnehmen und nochmal zehn Minuten ins Rohr schieben, sodass sich oben ein bissl eine Kruste bildet. Herausnehmen, etwas auskühlen lassen und inzwischen den Kamin anzünden und das Bärenfell ausrollen. Die Bohnen mit reichlich Rotwein und eventuell Brot zum Sauce-Auftunken servieren. (Tobias Müller, 19.11.2017)

Foto: Tobias Müller

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