Gerhard E. Winkler: "Stellungnahmen zu politischen, ökologischen Ereignissen ist mir wichtig.

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Wien – "Für mich ist Komponieren kein abstrakter, rein innerkünstlerischer Vorgang. Mich interessiert die Verankerung der Kunst im Menschen, das Musikerleben, die Verschiedenheit der Wahrnehmung ästhetischer Vorgänge, die Lebensbezüge, in denen Kunst existiert, die Welt der Gefühle und Fantasien, die Ängste", so Komponist Gerhard E. Winkler, der am Donnerstag bei Wien Modern mit einer Neuheit vertreten sein wird.

Die Ideen zu einem frischen Werk würden, so der Salzburger (Jahrgang 1959), nicht selten mit dem Titel selbst zusammenhängen: Nachdem das Ensemble Phace bei ihm um ein "größeres Stück angefragt hatte, fiel mir spontan der Titel Packeis-Istanpittas ein. Er verweist auf eine Sammlung mittelalterlicher Tänze, den ,Estampien‘ oder ,Istanpittas‘, die ich bereits in meiner Jugend kennengelernt hatte – quasi als Rockmusik des Mittelalters." Darum gäbe es hier auch eine "Einbeziehung von Elementen der Rockmusik."

Andererseits war es "mir schon länger ein Anliegen, einen Protest gegen das Abschmelzen der Polareis-Schilde in Musik zu fassen", so Winkler. Der Weltbezug, "diese Stellungnahme zu aktuellen politischen und ökologischen Ereignissen ist mir sehr wichtig. Nicht da ich glaube, mit meiner Musik etwas verändern zu können." Das könne bestenfalls das Publikum, "das vielleicht zum Handeln angeregt wird. Mich lassen diese Vorgänge, die uns alle betreffen, nicht kalt." Und alles, was "mich aufwühlt und anspricht, seien es Beziehungen zu Menschen, Erlebnisse mit oder ohne Kunst, soziale Verstrebungen, globale Bedrohungen – alles das wird automatisch Teil meiner künstlerischen Aussage."

Denken an Webern

"Packeis" implizierte für ihn "aber auch strukturelle Assoziationen: dichtgepackte Klangwelten, Verkantungen und Überschichtungen komplexer Strukturen, aber auch Kristallines, Kristallwelten, wie ich sie etwa in den Klaviervariationen op. 27 von Anton Webern finde."

Damit wären die wesentlichen Verankerungen seines neuen Stückes umrissen, "die nun im Form einer metastilistischen Anordnung aufeinander bezogen werden. Dazu dienen dann Computerausdrucke nichtlinearer Projektionen bestimmter musikalischer Texturen aus diesen Stilbereichen." Zu diesem Zweck habe er eine eigene Software entwickelt. "Der eigentliche Kompositionsprozess findet bei mir dann direkt am Computer statt: Ausgehend von den gesammelten Materialien wird das Werk direkt in Partitur geschrieben."

Als wesentliches Merkmal seiner Musik nennt Winkler "die Auffassung von Musik als dynamischer Prozess, der auch mit dem Begriff Energetik umschrieben werden kann, ohne dass ich damit aber einem naturwissenschaftlichen Physikalismus huldige." Seine Komponierrituale? "Ich arbeite zu ganz bestimmten Tageszeiten, meist von neun bis 13.00 Uhr vormittags. Der Nachmittag ist dem Alltag gewidmet. Abends bereite ich die nächsten Kompositionsschritte vor oder ich öffne mich anderen Dingen." Wie der donnerstägigen uraufführung seiens werkes. (Ljubiša Tošic, 14.11.2017)