Auftraggeber ist die US-Firma Indigo Partners, die Flugzeuge an Billigairlines vermietet.

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Paris – Der boomende Luftverkehr mit fünfprozentigen Zuwachsraten im Jahr machts möglich: Millionenteure Flugzeuge gehen derzeit wie warme Semmeln über die Ladentheke. Bei der Flugschau in Dubai gab Airbus am Mittwoch einen Rekordauftrag über 430 Exemplare der A320-Familie bekannt. Der Vorvertrag geht offiziell über 49,5 Milliarden Dollar, wobei undeklarierte Mengenrabatte üblich sind.

Auftraggeber ist der amerikanische Luftfahrtinvestor Bill Franke, dessen branchenintern bekanntes Leasing-Unternehmen Indigo Partners Flugzeuge an Billigairlines vermietet. Betroffen sind Wizz Air in Ungarn, Frontier Airlines in den USA, Jetsmart in Chile und Volaris in Mexiko. Die Ungarn bestellen via Indigo Partners allein 146 Maschinen der Typen A320 neo und A321 neo.

Historisch unerreichte Bestellung

Franke erklärte in Dubai, der Megadeal illustriere den Optimismus und das Wachstumspotenzial der Billigfluglinien. Die historisch unerreichte Bestellung überraschte selbst Luftfahrtexperten. Airbus stand an der Luftfahrtmesse bisher im Schatten des Widersachers Boeing. Der US-Konzern erhielt am Sonntag von der Fluggesellschaft Emirates eine Bestellung für 40 Maschinen des neuen Typs B787 über 15 Milliarden Dollar. Am Mittwoch bestätigte der arabische Low-Cost-Carrier FlyDubai den Kauf von 175 Boeing-Maschinen des Typs 737 max im Wert von 21 Milliarden Dollar.

Diese Milliardenaufträge für die Amerikaner werden nun aber von Airbus auf einen Schlag übertrumpft. Indigo Partners – der mit der früheren Rekordbestellung des indischen Low-Cost-Airline Indi Go im Jahr 2015 über 250 Maschinen nichts zu tun hat – verhilft den Europäern zu einem nicht nur kommerziellen, sondern auch medialen Paukenschlag. Im laufenden Jahr schien Boeing erstmals wieder die Nase vorn zu haben. Die Amerikaner verzeichneten vor Beginn der Dubai-Messe Nettoaufträge über 538 Maschinen, Airbus nur deren 288.

Seattle und Toulouse in etwa gleichauf

Das in der südfranzösischen Stadt Toulouse angesiedelte Europakonsortium mit Werken unter anderem in Hamburg und Madrid verzeichnete damit nur noch gut ein Drittel aller Aufträge. Dank der – in Wahrheit vier – Aufträge von Indigo Partners reißt Airbus das Steuer herum. Zum Jahresabschluss dürften die beiden Erzrivalen aus Seattle und Toulouse in etwa gleichauf liegen.

Die Erfolgsstory von Airbus ist das Werk des Verkaufsleiters John Leahy. Der 67-jährige Amerikaner kann in Toulouse im Frühjahr 2018 mit einem letzten Großerfolg in Rente gehen. Er war 1994 bei Airbus eingestiegen, als dieser erst auf einen Marktanteil von 18 Prozent kam. Seither hat er den europäischen Hersteller ausgerechnet als US-Bürger zum Marktleader vor dem früheren Monopolisten Boeing gemacht. Am Mittwoch verhehlte der stets gutgelaunte Topmanager in Dubai seinen "Stolz" über den Geschäftsabschluss nicht.

A380 enttäuscht

Ein Dämpfer für die Europäer ist, dass sich Indigo nicht für den A380 interessierte. Der Riesenflieger bleibt der Schwachpunkt der zivilen Airbus-Strategie. Seit 2015 hat der Konzern davon kein Exemplar mehr verkauft. Entsprechend große Hoffnungen setzte er in den Erstkunden Emirates, der in den letzten Jahren schon 142 Stück dieses doppelstöckigen Großtransporters für 500 Passagiere geordert hatte.

Die staatliche Airline der Vereinigten Arabischen Emirate will an sich knapp 40 weitere A380 erwerben, verlangte aber am Sonntag die Garantie, dass dieses erfolgsarme Flugzeug noch mindestens zehn Jahre lang hergestellt wird. Die Forderung zwingt Airbus zu einer Zusage, die angesichts der lahmenden A380-Aufträge eigentlich gar nicht möglich ist.

Trotzdem ist ist der Indigo-Auftrag eine Erleichterung für Airbus-Chef Tom Enders. Der Deutsche war in letzter Zeit unter Beschuss geraten, weil er frühere Schmiergeldpraktiken auf brüske Weise beenden wollte und damit in den Verkaufsabteilungen für "Turbulenzen" (so Enders selbst) sorgte. Leahy, dem im Unterschied zu französischen Mittelsmännern nie unsaubere Praktiken unterstellt wurden, macht mit dem Indigo-Auftrag zusätzlich klar, dass Airbus in der Lage ist, nicht nur mit okkulten Kommissionen Flugzeuge zu verkaufen. (Stefan Brändle aus Paris, 15.11.2017)