Neben der Arbeitslosen- und Beschäftigungsquote wurden in der Studie auch die Chancen von Menschen im Niedriglohnbereich analysiert.

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Gütersloh/Wien – Die Chancengerechtigkeit im Hinblick auf Jobs, Bildung und medizinische Versorgung ist in den EU-Ländern weiter stark unterschiedlich – insgesamt aber verbessert sich die Situation. Das zeigt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung zur sozialen Gerechtigkeit.

Demnach liegt Österreich mit einem Index von 6,69 unter den 28 EU-Staaten auf Rang acht. Das ist über dem EU-weiten Durchschnitt (5,85). Spitzenreiter sind Dänemark, Schweden und Finnland, die auf der Skala von null bis zehn alle über sieben Punkte kommen. Aber auch Tschechien, Slowenien, die Niederlande und Deutschland liegen vor Österreich. Schlusslichter sind Rumänien und Griechenland mit Werten unter vier.

"Wir definieren soziale Gerechtigkeit als Chancengerechtigkeit, dass jeder entsprechend seinen Fähigkeiten bestmöglich an der Gesellschaft teilnehmen kann, unabhängig von seinem sozialen Hintergrund", erklärte Daniel Schraad-Tischler von der Bertelsmann-Stiftung.

Verbesserungen am Arbeitsmarkt

Im zentralen Bereich Arbeitsmarkt gab es 2016 im Vergleich zu den Vorjahren eine Verbesserung: In 26 von 28 EU-Ländern ging es am Arbeitsmarkt aufwärts. Die Forscher sahen sich beim Arbeitsmarkt elf Indikatoren an – neben der Arbeitslosen- und Beschäftigungsquote analysierten sie etwa die Chancen von Menschen im Niedriglohnbereich. Dabei gab es große Unterschiede zwischen den Ländern. Ein Beispiel: Während beim Spitzenreiter Deutschland die Jugendarbeitslosigkeit 2016 bei 7,1 Prozent lag, kam Schlusslicht Griechenland auf 47,3 Prozent. Auch dort entspannte sich die Lage aber etwas, lag der Wert 2013 doch noch bei 58,3 Prozent.

"Dadurch, dass die Chancen am Arbeitsmarkt besser geworden sind, hat sich die Einkommenssituation zum Teil verbessert, und dadurch nimmt wiederum der Anteil an von Armut bedrohten Menschen ab", so Schraad-Tischler. 2016 waren in der EU 23,4 Prozent der Menschen von Armut bedroht, während es 2013 noch 24,7 Prozent waren. Von Armut bedroht ist danach jeder, der sich elementare Grundbedürfnisse wie eine angemessen beheizte Wohnung nicht leisten kann.

Österreich schneidet bei Arbeitslosenrate gut ab

Österreich schneidet besonders gut beim breiten Zugang zum Arbeitsmarkt ab – Platz vier hinter Dänemark, Deutschland und Großbritannien. Gut liegt es auch bei der Arbeitslosenrate allgemein und der Jugendarbeitslosigkeit. Alle anderen Staaten schlägt es mit der niedrigsten Rate in puncto "unfreiwillige befristete Beschäftigung". In Österreich betrifft das nur 9,1 Prozent der arbeitenden Bevölkerung. Zum Vergleich: In Dänemark, das im Allgemeinen in der Studie am besten abschneidet, müssen 36,7 Prozent der Menschen im erwerbstätigen Alter schon einmal einen temporären Job annehmen, weil sie keinen permanente Anstellung finden.

Die Studie sieht vor allem die Sozialpartnerschaft und die duale Berufsausbildung hinter den guten Werten Österreichs bei den Arbeitsmarktdaten: "Ein Faktor, der zu den nach wie vor recht erfolgreichen Arbeitsmarktwerten beiträgt, ist die Sozialpartnerschaft zwischen dem Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) und den Wirtschaftskammern", analysieren die Studienautoren. "Viel von der Arbeitsmarktmarktpolitik wird durch das öffentliche Arbeitsmarktservice umgesetzt, einer weiteren Schlüsselinstitution für die Erfolge des Landes im Bereich Beschäftigung. Das duale System Österreichs bei der Berufsausbildung, bei dem junge Menschen im Job berufliche Fähigkeiten erlernen, während sie weiterhin in die Schule gehen, war ebenfalls erfolgreich und hat vermehrt international Aufmerksamkeit auf sich gezogen."

Kritik an "früher Aufspaltung" im Schulsystem

Defizite gibt es dagegen bei der Anstellung älterer Arbeitskräfte. Seit die Studie 2008 erstmals durchgeführt wurde, hat sich die Lage zwar verbessert. Die Mehrheit der EU-Staaten sticht Österreich aber weiterhin aus. Auch beim gleichberechtigten Zugang zur Bildung sieht es nicht so rosig aus (Rang 13). Der soziale Status der Eltern beeinflusse in Österreich, ob ein Kind Zugang zu höherer Bildung bekommt. Auch Kinder von Zuwanderern seien benachteiligt. Sozioökonomische Faktoren schlügen sich relativ stark in den Ergebnissen von Schülern beim Pisa-Test nieder. Grund dafür sei die "frühe Aufspaltung" der Schüler auf unterschiedliche Bildungswege.

Über die Jahre war die soziale Gerechtigkeit in Österreich gemäß den Studienkriterien relativ stabil. Gegenüber dem Höchststand von 2008 – 6,86 – ergibt sich aber eine leichte Verschlechterung um 0,17 Punkte. 2011 war der Index auf 6,59 gefallen, hat sich in den vergangenen vier Jahren aber sukzessive leicht verbessert. (APA, red, 16.11.2017)