In welche Richtung wird gestaltet – wer macht die Zukunft?

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Hi, I’m Michael, Visiting Professor at Stanford. In dieser oder ähnlichen informellen Art gehe ich hier im Silicon Valley auf Menschen zu – und das mit Erfolg.Egal woher man kommt, was man geschafft hat und wen man kennt, die Menschen hier begegnen einem herzlich, offen und vor allem auf Augenhöhe.

In dieser erfrischenden und unkomplizierten Form möchte ich daher auch meine Kolumne an dieser Stelle eröffnen und eines gleich vorausschicken: Nein, das Silicon Valley können wir nicht kopieren und auch werde ich hierzu keine Weisheiten darlegen. Vielmehr möchte ich hier Fragen der Zukunft nachgehen.Wer macht eigentlich unsere Welt von morgen?

Sind es die überwiegend männlichen Ingenieure des Silicon Valley oder doch die Nutzer und Konsumenten der neuen Technologien, die täglich immer wieder aufs Neue mit ihren Klicks über die Zukunft abstimmen? Und unter welchen Voraussetzungen wird diese Zukunft eigentlich gemacht? Wie halten es die Technologiekonzerne mit sozialer Verantwortung? Warnt Elon Musk im Silicon Valley als Einziger den Orwell’schen Gefahren einer allgegenwärtigen und übermächtigen künstlichen Intelligenz?

Bekenntnis: Verändern

Allesamt große Fragestellungen, denen ich mich nur im Kleinen, aus dem begrenzten Blickfeld des Silicon Valleys versuchen werde zu nähern. Hier im Silicon Valley tummeln sich ja auf engstem Raum, in einem Landstreifen von etwas weniger als 25 Kilometern, die großen "Weltveränderer" von heute: Apple, Google, Facebook, Microsoft, Cisco, HP, SAP, Tesla und viele mehr, deren Namen wir nicht kennen, aber ihre Produkte und Dienste täglich nutzen; allesamt Unternehmen, die ein klares Bekenntnis zur Veränderung unserer Welt nicht nur in ihren Mission Statements verankert haben, sondern dies mit ihren Technologien auch tatsächlich tun.

Man denke zum Beispiel an das Smartphone, das die Formen unserer sozialen Interaktion und unsere Freizeitgestaltung grundlegend verändert hat. Ein Umstand, der mittlerweile auch manch einem Fakultätsmitglied der Stanford Universität Sorge bereitet. Es wird nämlich zunehmend erkannt, dass den Studierenden ein gesundes Maß an Möglichkeiten des Innehaltens und der Reflexion verloren geht.

Bewusst anders sein

Da sind wir auch schon beim zweiten großen Thema, das ein Nachdenken über die Zukunft und deren Macher an diesem Ort plausibel macht: Hier sind Top-Weltklasse Universitäten wie Stanford oder Berkeley verortet, deren Talente mit einer kaum vergleichbaren kulturellen Vielfalt das Tal mit immer neuen Ideen ständig versorgen. Die Vielfalt an Perspektiven und die Offenheit gegenüber Neuem ist kaum zu übersehen. Differenz, anders sein, ist hier ein bewusst gewolltes Paradigma.

Dies wirft auch gleich die Frage auf, ob hier an diesem Ort überhaupt je so etwas wie ein kohärentes "Altes", eine Art Tradition, zelebriert und institutionalisiert werden kann. Wenig überraschend, dass die jungen Absolventen daher auch wenig Lust verspüren, zurück in ihre Heimat zu gehen.

Vielmehr wollen sie aktiv teilhaben an der Gestaltung der Zukunft, entweder im Umfeld der Großen, oder im Rahmen eines eigenen Start-ups. Risikokapitalgeber haben früh die hiesigen Möglichkeiten zum Aufbau von Wohlstand erkannt und nicht unwesentlich zum dynamischen Ökosystem der Zukunftsmacher beigetragen. Und nicht zuletzt scheint auch die "alte" Generation das Tal des ewig Neuen zu lieben.

Die Community

Hier verspürt man nicht den an der Ostküste üblichen Drang nach Rente im warmen Florida. Im Gegenteil, man bleibt vor Ort, bleibt Teil der kleinen Community, in der scheinbar jeder jeden kennt. Selbst an der Universität wird mit einem Alter jenseits der Siebzig weiter gelehrt und geforscht. Es sind einzig die beliebten Festtage, die den Zukunftsmachern im Tal des immer schönen und warmen Wetters offenbar etwas an Tempo nehmen.

Zusammenfassend, ich befinde mich in einem Umfeld, das wie eine Art Ursuppe wirkt, in der das (zumindest technisch) Neue wie kaum an einem anderen Ort der Welt offenbar gut gedeihen kann. Hier Fragen über die Zukunft und deren Machern nachzugehen, liegt daher nahe. Das Konzept für die folgenden Beiträge sieht folgendermaßen aus: In jeder Kolumne werde ich versuchen, ein hier vor Ort beobachtetes Phänomen zu thematisieren.Die vielen Interviews, die ich hierzu seit meiner Ankunft im September mit Managerinnen, Entrepreneuren oder Professorenkolleginnen führe, helfen mir dabei, diese Beobachtungen besser einzuordnen. (Michael Shamiyeh, 22.11.2017)