München – Jede Menge Abgase und sonstige Giftstoffe, äußerst eingeschränkter Platz zum Wachsen und generell eine Umgebung mit gelinde gesagt stark verringerter Artenvielfalt: Städte sollten eigentlich alles andere als ideal für Bäume sein. Trotzdem wachsen Bäume in urbanen Räumen im Schnitt deutlich schneller als ihre Artgenossen auf dem Land, berichtet die Technische Universität München (TUM). Der Effekt, dass Städte sogenannte Wärmeinseln sind, überwiegt offenbar alle Nachteile.

Die Untersuchung

Das Team um Hans Pretzsch vom Lehrstuhl für Waldwachstumskunde der TUM präsentierte in "Scientific Reports" eine Studie, die belegt, dass es sich dabei um einen weltweit auftretenden Effekt handelt. Die Forscher entnahmen Proben von Baumkernen aus den Metropolen Berlin, Brisbane, Hanoi, Houston, Kapstadt, München, Paris, Prince George (Kanada), Sapporo und Santiago de Chile. Diese Städte decken unterschiedliche Klimazonen ab, von borealem über gemäßigtes und mediterranes bis hin zu subtropischem Klima.

In jeder Stadt wurde eine für die Region typische Baumart ausgewählt und sowohl im Stadtzentrum als auch in der ländlichen Umgebung untersucht – insgesamt waren es knapp 1.400 Bäume. Das Ergebnis: Im Schnitt sind Stadtbäume bei gleichem Alter größer als ihre Artgenossen auf dem Land. Bei 50 Jahre alten Bäumen beträgt der Unterschied ein ganzes Viertel, bei hundertjährigen immer noch knapp 20 Prozent.

Als Ursache für die Wachstumsbeschleunigung sehen die Forscher den bekannten Wärmeinseleffekt, der die menschlichen Stadtbewohner in Hochsommernächten regelmäßig stöhnen lässt. Auf Bäume wirkt er sich auf zweierlei Weise aus: Zum einen regt die Wärme (um drei bis zehn Grad mehr als im Umland) die Photosynthese-Aktivität an. Zum anderen wird dadurch die Vegetationsperiode verlängert. Die Bäume haben also pro Jahr mehr Zeit zum Wachsen.

Schattenseiten

Was auf den ersten Blick rein positiv klingt, hat freilich auch eine Kehrseite, wie die Forscher betonen: Beschleunigtes Wachstum geht auch mit einem schnelleren Alterungsprozess einher. Bäume sterben früher ab als auf dem Land und müssen von Stadtverwaltungen daher schneller ersetzt werden. Relevant sind die Ergebnisse nicht zuletzt deshalb, weil ein immer größerer Teil der Weltbevölkerung in Städten lebt und diese dadurch laufend wachsen.

Insgesamt sehen die Forscher einen Trend zu schnellerem Wachstum der Bäume sowohl in Städten als auch auf dem Land – der Erderwärmung geschuldet. Das Baumwachstum habe sich seit den 1960er Jahren beschleunigt, allerdings nicht gleich. Vom Klimawandel profitieren stärker die Bäume auf dem Land. Das könnte daran liegen, dass die Stadtbäume allmählich ein Limit erreichen und ein weiteres Ansteigen der Temperaturen keinen positiven Effekt mehr erzielt. Pretzsch dazu: "Wir vermuten das, weil Stadtbäume durch den Wärmeinseleffekt den Klimawandel quasi vorverlegt erleben." (red, 18. 11. 2017)