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Eine Zelle im niederländischen Norgerhaven-Gefängnis nahe Veenhuizen. Laut dem norwegischen Ombudsmann ist es schwer, die Bedingungen in der Haftanstalt zu prüfen.

Foto: APA/EPA/CATRINUS VAN DER VEEN

Oslo/Veenhuizen/Wien – Bis zu ein Jahr mussten verurteilte Straftäter in Norwegen einst warten, um ihre Haftstrafe anzutreten. 1.300 Personen befanden sich in der sogenannten Haftschlange, weil die norwegischen Gefängnisse überfüllt waren. Die Lösung: Häftlinge wurden in die Niederlande exportiert. In ein Hochsicherheitsgefängnis nahe Veenhuizen mit dem Namen Norgerhaven.

Seit 1. September 2015 ist das Abkommen in Kraft, und die kritischen Stimmen werden immer lauter. Denn der Export von 218 Häftlingen kostet die Norweger jährlich mehr als 22 Millionen Euro. Gleichzeitig wurden im heimischen Budget die Ausgaben für Haftanstalten um rund zwei Millionen Euro gekürzt. Und die imaginäre Schlange vor den Gefängnissen gibt es auch nicht mehr. Im Gegenteil: In Norwegen stehen 284 Gefängniszellen leer. Das berichtet die Rundfunkanstalt NRK.

Flexibilität vonnöten

Dass es freie Plätze in norwegischen Gefängnissen gibt, ist für den Osloer Rechtsexperten Thomas Horn kein Problem: "Gefängnisse können und sollen nicht zu hundert Prozent ausgelastet sein", sagt er dem STANDARD. Es braucht laut Horn eine gewisse Flexibilität für Menschen, die in Untersuchungshaft gebracht werden. Zudem könnte man nicht im Voraus planen, welche Verurteilten in welche Gefängnisse gebracht werden – wenn es um Sicherheitsstufe, medizinische Hilfe oder Rehabilitationsprogramme geht.

Aber wenn die freien Plätze in Norwegen den belegten Zellen in den Niederlanden gleichen, wäre das Prinzip der Nähe verletzt, setzt Linda Gröning, Professorin an der Rechtsfakultät in Bergen, auf NRK entgegen. Demnach sollten Häftlinge nach Möglichkeit nahe ihrem Heimatort untergebracht werden.

Wenig Macht für Norwegen

Für den Ombudsmann des norwegischen Parlaments, Aage Thor Falkanger, tun sich mit dem Abkommen noch weitere Probleme auf. So hätten Norwegens Behörden keine Berechtigung, mögliche menschenrechtliche Verfehlungen in den niederländischen Haftanstalten zu untersuchen. Zu dem Schluss kam er in seinem Bericht nach einem Besuch der Anstalt im September vergangenen Jahres. Ausländisches Wachpersonal könnte somit teilweise mit Waffengewalt gegen in Norwegen verurteilte Häftlinge vorgehen. Bedenklich sei auch, dass die Häftlinge in den Niederlanden nicht den gleichen Zugang zu Bildungsangeboten wie in Norwegen haben.

Auch für John Todd von der Abteilung für Kriminologie und Rechtssoziologie der Universität Oslo bleibt das Abkommen fragwürdig: Die ursprüngliche Intention der Regierung, nur ausländische Straftäter in die Niederlande zu bringen, sei "aufgrund des Gleichheitsgrundsatzes nicht haltbar". Und so befinden sich 44 norwegische Staatsbürger in ausländischer Haft, 18 von ihnen gegen ihren Willen. "Es bleibt die Frage, wie die Häftlinge Kontakt zu ihren Familien halten, ob das Abkommen ethisch vertretbar ist, und ich bin skeptisch aufgrund der zusätzlichen Kosten", fasst Todd im Gespräch mit dem STANDARD zusammen.

Fortsetzung geplant

Fest steht, dass Norwegens Regierung an dem Häftlingsexport festhalten will. Justizminister Per-Willy Amundsen verkündete kurz vor der Parlamentswahl Anfang September, dass das Abkommen um ein Jahr bis 2019 verlängert werden soll. Für Todd war das erwartbar: "Für die rechtspopulistische Fortschrittspartei war das ein Prestigeprojekt. Das werden sie nicht so leicht aufgeben." (Bianca Blei, 17.11.2017)