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1. Dezember 1993: Toto Riina wird streng bewacht ins Gerichtsgebäude von Bologna gebracht.

Foto: REUTERS/Tony Gentile

Am Donnerstag durften Ehefrau und Kinder den inhaftierten Paten noch einmal besuchen – um Abschied zu nehmen. Es war sein 87. Geburtstag. Salvatore "Toto" Riina befand sich nach zwei Operationen im künstlichen Koma. Normalerweise dürfen Mafiosi in Isolationshaft keine Besuche empfangen, angesichts des Zustandes Riinas hatte Justizminister Andrea Orlando aber eine Ausnahme gemacht. Wenige Stunden später ist der brutalste Mafiaboss Italiens in der Nacht auf Freitag verstorben.

Toto Riina wurde 1930 als Sohn einer Bauernfamilie in Corleone geboren, einer Kleinstadt im Hinterland von Palermo. Seinen ersten Mord verübte er bereits mit 18 Jahren, als er einen Gleichaltrigen im Streit tötete. Nach einer relativ kurzen Haftstrafe stieg er Ende der 1950er-Jahre innerhalb der Mafiafamilien der "Corleonesi" (benannt nach der Heimatstadt) rasch in die höchsten Führungspositionen auf – nicht zuletzt dank seiner selbst für Mafiaverhältnisse ungewöhnlichen Brutalität. Toto "u curtu" (der Kurze), wie Riina wegen seiner Körpergröße von nur 1,58 Metern genannt wurde, schoss alle nieder, die sich ihm in den Weg stellten.

In Palermo musste sich Riina die Macht zunächst mit den städtischen Cosa-Nostra-Größen teilen. Um zum alleinigen Chef aufzusteigen, entfachte er Anfang der 1980er-Jahre einen Krieg, bei dem er seine Konkurrenten gnadenlos ausmerzte. Insgesamt kamen dabei etwa 600 Menschen ums Leben. Spätestens jetzt war Riina im Volksmund nicht mehr "u curtu", sondern "la belva", die Bestie.

Rache am Mafia-Aussteiger

Riina war danach der unbestrittene Boss der Bosse der sizilianischen Cosa Nostra – aber in der Zwischenzeit hatte der italienische Staat zum Gegenangriff geblasen. 1986 begann der sogenannte "Maxi-Prozess" gegen die Mafia. Dabei saßen 475 Mafiosi auf der Anklagebank. Schließlich wurden 19 lebenslängliche Strafen und insgesamt 2.665 Jahre Haft verhängt. Möglich wurde der Prozess durch die Aussage von Tommaso Buscetta, der als erster Top-Mafioso die Mauer der "omertà" (mafiöse Verschwiegenheit) durchbrochen hatte. Riina, der inzwischen meistgesuchte Verbrecher Italiens, revanchierte sich auf seine Weise: Er ließ elf Angehörige Buscettas umbringen.

Riina erklärte dann auch dem italienischen Staat den Krieg. 1992 wurden die Mafiajäger Giovanni Falcone und Paolo Borsellino mit ferngezündeten Bomben getötet. Sie hatten zu den wichtigsten Anklägern im "Maxi-Prozess" gezählt. Später folgten auch Bombenanschläge auf dem italienischen Festland. Mit dieser "Strategie der Blutbäder" wollte Riina den Staat an den Verhandlungstisch bomben und zu einem Waffenstillstand bewegen. Die Strategie scheiterte, weil Riina am 15. Jänner 1993 nach jahrelanger Flucht verhaftet werden konnte. Insgesamt wurde er zu 13-mal lebenslänglich verurteilt.

Kontakte zu Politikern

Riina, dem die Beteiligung an 100 bis 150 Morden angelastet wurde, machte auch mit seinen politischen Kontakten von sich reden. Ein Mafia-Aussteiger etwa hatte zu Protokoll gegeben, dass der ehemalige Ministerpräsident Giulio Andreotti mit Riina kooperiert habe. Dies konnte vor Gericht aber nie bewiesen werden.

"Riina nimmt zahlreiche Geheimnisse mit ins Grab", sagt nun Senatspräsident Pietro Grasso, der als junger Staatsanwalt am "Maxi-Prozess" teilgenommen hatte. "Diese Geheimnisse wären von entscheidender Wichtigkeit gewesen, um die Wahrheit über politische Absprachen und Komplizen zu erfahren."

Riina hat aber nicht nur jahrelang geschwiegen, sondern seine Taten offenbar auch nie bereut, wie aus einem abgehörten Gespräch Riinas mit einem Mitgefangenen hervorgeht: "Sie werden mich niemals brechen, selbst wenn sie mir 3.000 Jahre geben." (Dominik Straub aus Rom, 17.11.2017)