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James Damore.

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Auf einer Arbeitsreise nach China wurden die ersten Zeilen in einem Memo getippt, das im Sommer 2017 wochenlang die IT-Branche in Atem halten sollte. James Damore, ein Entwickler bei Google, argumentierte darin, dass Google einen falschen Diversity-Ansatz verfolge. Frauen hätten einen "höheren Level an Neurotizismus", was laut Damore "zu der geringen Anzahl an Frauen in sehr stressigen Jobs" führen könnte. Es gebe bestimmte "psychologische Merkmale" an Frauen, die erklären könnten, warum es mehr männliche Programmierer gibt.

Memo wurde Medien zugespielt

Damore schickte das Memo an die interne Diversity-Abteilung des IT-Konzerns, bekam jedoch keine Reaktion. Dann verteilte er das Memo intern, woraufhin es öffentlich wurde. Zwei Tage später folgte seine Entlassung. Damore habe "schädliche Vorurteile" weiterverbreitet, so Google. CEO Sundar Pichai sagte, dass es "nicht okay" sei "zu unterstellen, dass eine Gruppe an Kollegen bestimmte Merkmale habe, aufgrund derer sie schlechter für ihre Arbeit geeignet seien".

"Unsinn"

Über die psychologische Stichhaltigkeit von Damores Memo entbrannten daraufhin heftige Diskussionen. Verkürzt lässt sich zusammenfassen, dass Damore sich zwar auf wissenschaftliche Studien beruft, die tatsächlich gewisse Charaktereigenschaften eher Männern oder eher Frauen zuordnen, diese jedoch nach Ansicht vieler Wissenschafter fehlerhaft interpretiert. Eine der von Damore zitierten Soziologinnen, Catherine Hakim, sagt im "Guardian" etwa, dass ihre Thesen korrekt wiedergegeben wurden, doch dass "der Versuch, diese mit dem Berufsleben zu verknüpfen, Unsinn ist". Damore soll sich in seinem Memo zu sehr auf biologistische Argumente gestützt haben.

"Erstaunlich, dass jemand seinen Job verliert"

Cordelia Fine, eine australische Professorin, sagt, dass die von Damore zitierten psychologischen Merkmale "nicht in Stein gemeißelt" seien. Damores Memo habe "dubiose Thesen aufgestellt und Forschung zu Diskriminierung ignoriert", so Fine. Gleichzeitig seien einige der von Damore angeführten Forschungsergebnisse an sich "akkurat und in der Forschungswelt nicht besonders kontrovers". Daher sei es "ziemlich erstaunlich, dass jemand seinen Job verliert, wenn er Teile der wissenschaftlichen Debatte wiedergibt", so Fine.

Damore würde Memo "anders" schreiben

Damore bestreitet, absichtlich nur bestimmte Teile der Forschung zitiert zu haben. Allerdings würde er das Memo "wohl anders" schreiben. So bereut er etwa jene Passage, in der er Frauen eine erhöhte Neigung zu Neurotizismus zuschreibt. Der Entwickler hat sich im "Guardian" ausführlich zu der Entstehung des Memos und seinen Erfahrungen danach geäußert. Damore sprach erstmals über seine Autismus-Erkrankung. Diese erschwere es ihm, Reaktionen seiner Mitmenschen auf bestimmte Aussagen zu antizipieren. "Um Kontroversen vorherzusehen, muss man in der Lage sein, die emotionale Reaktion von anderen Menschen vorherzusehen – darin bin ich nicht besonders gut", so Damore. Er will jedoch nicht als "Opfer" gesehen werden oder sein Memo an sich mit seinem Autismus erklären.

Idol der Alt-Right

Reue zeigt Damore vor allem für sein Verhalten nach der Entlassung. Der ehemalige Google-Mitarbeiter wurde rasch zu einem Idol in der sogenannten Alt-Right-Bewegung, die sexistische Thesen vertritt. Damore nahm an Gesprächsrunden mit frauenfeindlichen und rechtsextremen Protagonisten teil. Der Fotograf Peter Duke lud Damore ein, ein neues Pressefoto aufzunehmen – und drückte ihm jenes "Goolag"-T-Shirt in die Hand, das für einen neuerlichen Aufschrei um Damore sorgte. "Ich war sehr beschäftigt und ahnungslos", sagt er nun über diese Zeit.

Freundin: "Naiv und falsch"

Der technisch hochtalentierte Entwickler sucht nun nach einem neuen Job. Mit seiner Freundin – einer Feministin und Datenwissenschafterin – habe er sich nach dem für sie überraschenden Memo ausgesprochen. Ihr Freund sei "naiv" gewesen und habe falsche Thesen verbreitet, sagt sie – doch die Entlassung durch Google sei nicht gerechtfertigt. Damore geht nun juristisch gegen Googles Reaktion auf sein Memo vor. (red, 17.11.2017)