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Viel Zeit mit digitalen Geräten zu verbringen, heißt noch nicht, digital kompetent zu sein. Worauf es laut Experten ankommt: Die Funktionsweise zu verstehen, Informationen im Netz richtig einordnen zu können.

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Dass der digitale Wandel ohne ausreichende Kompetenzen nicht zu schaffen ist, ist mittlerweile Konsens: 87 Prozent der Unternehmen meinen, dass Digitalkompetenz künftig genauso wichtig sein wird wie fachliche oder soziale.

89 Prozent der Lehrkräfte finden, dass Medienkompetenz stärker in der Schule vermittelt werden sollte, und fast alle Schüler (99 Prozent) wünschen sich mehr Unterricht zu digitalen Themen. Auch 71 Prozent der Eltern sind der Ansicht, dass digitale Medien in allen Fächern vorkommen sollten.

Wenig vorbereitet

Gleichzeitig gibt es nicht genügend Lehrkräfte, die Schülerinnen und Schüler fit für diese Zukunft machen können. Das zeigt das "Mint-Nachwuchsbarometer 2017" der Deutschen Akademie für Technikwissenschaften und der Körber-Stiftung. Untersucht wurde der Bedarf in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik auf Basis früherer Studien.

Die Auswertung macht deutlich: Die meisten Lehrer (95 Prozent) stehen dem Einsatz digitaler Medien im Unterricht zwar grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber – nur jeder Fünfte sagt aber, dass er im Studium auch darauf vorbereitet wurde. Nahezu alle Berufsschullehrkräfte (94 Prozent) bilden sich zum Thema digitales Lernen selbst weiter. Ein weiteres Problem: Zu wenige Lehrkräfte ließen sich für Mint-Fächer ausbilden.

Youtube, Instagram und Co

Bemängelt wird auch, dass die technische Ausstattung in vielen Schulen nicht zeitgemäß sei. Im Unterricht dürfte die neue Technik ebenfalls erst eine geringe Rolle spielen. Kaum genutzt würden Smartphones, Tablets, Spielekonsolen und E-Book-Reader. Lediglich ein Prozent der Schüler verwendet den Schul-PC täglich, wie die Auswertung zeigt.

Nur 20 Prozent der deutschen Sechs- bis Achtjährigen haben regelmäßig Unterricht am PC. An weiterführenden Schulen sind die Lehrinhalte überwiegend auf Internetrecherchen (81 Prozent) und die Bedienung von Programmen (73 Prozent) ausgerichtet. Technische Grundlagen (36 Prozent) oder das Programmieren einer Webseite (26 Prozent) werden seltener vermittelt.

Mangelnde IT-Kenntnisse

Zu Hause nutzen Kinder und Jugendliche digitale Geräte weit öfter – den Computer rund drei Viertel (73 Prozent) fast täglich. Fast alle Zwölf- bis 19-Jährigen besitzen ein Smartphone mit Internetanbindung (95 Prozent). Das bedeute allerdings nicht, dass sie die Tools kompetent anwenden, bemängeln die Studienautoren. Das kritisiert auch Johannes Kopf, Chef des Österreichischen Arbeitsmarktservice (AMS): "Digital Natives können gut mit Youtube, Instagram umgehen, haben aber oft nicht die für den Arbeitsmarkt notwendigen IT-Kenntnisse." Tatsächlich geht aus einer in Österreich durchgeführten Untersuchung hervor, dass lediglich sieben Prozent der 15- bis 29-Jährigen über sehr gute Computerkenntnisse verfügen.

Eigeninitiative gefragt

Die "International Computer and Information Literacy Study (ICILS)" in neun EU-Ländern kam zu dem Schluss, dass nur etwa zwei Prozent der getesteten Studierenden in der Lage sind, Informationen aus dem Web kritisch zu bewerten. Rund ein Viertel weist demnach ein niedriges computer- und informationsbezogenes Kompetenzniveau auf.

Fehlende Vorbereitung an den Schulen führe schließlich auch dazu, dass sich nur wenige für eine Lehre oder ein Studium im Mint-Bereich entscheiden, heißt es im "Nachwuchsbaromenter".

So beträgt der Anteil an Studienanfängern in Mint-Fächern in Deutschland aktuell 39 Prozent. In Österreich waren laut Angaben des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung im Vorjahr rund 28 Prozent der begonnenen Fächer Mint-Studien. Und das, obwohl mehr und mehr Fachkräfte gebraucht werden – laut EU fehlen etwa im IT-Sektor bis 2020 eine Million Fachleute.

Wirklich verstehen

Was ist die Konsequenz? Essenziell: Schulen und Unis mit den nötigen Ressourcen auszustatten, sagt AMS-Chef Kopf. Digitale Bildung müsse den gesamten Unterricht durchdringen. Aber auch Informatik als Fach müsse aufgewertet werden, fordern die Experten, die für das "Nachwuchsbarometer" befragt wurden. Schülern sei nicht nur zu vermitteln, wie Geräte zu bedienen sind, sondern auch, wie sie funktionieren. Nur so könnten sie Chancen und Risiken einschätzen.

Auch die Unterrichtsmethoden müssten sich ändern. Der Unterricht, so die Empfehlung, solle interaktiver und partnerschaftlicher gestaltet werden. Gerade weil Kinder sich privat viel mit digitalen Medien beschäftigen, dürfe digitale Bildung "kein Top-down-Prozess bleiben". Der Vorschlag: Auch Schüler sollen Projekte initiieren können, Arbeitsgemeinschaften an Schulen bilden. (Lisa Breit, 21.11.2017)